Der Coach
gekommen. Sein Onkel, John Reardon, wurde 1989 zum Schulrat ernannt. Er war sehr angesehen, ziemlich gewieft, ein schlauer Politiker und der einzige Mensch mit der nötigen Autorität, um Eddie Rake zu feuern. Und das hat er gemacht. Alle Welt war schockiert über diesen Todesfall, das kannst du dir ja denken, und als die Einzelheiten bekannt wurden, murrten viele über Rake und seine Methoden.«
»Reines Glück, dass er uns nicht alle umgebracht hat.«
»Am Montag danach gab es eine Obduktion: ein klarer Fall von Hitzschlag. Keine früheren Leiden, keinerlei Fehlfunktionen. Ein kerngesunder Fünfzehnjähriger geht an einem Sonntagmorgen um halb acht aus dem Haus, um an einer zweistündigen Folter teilzunehmen, und er kommt nicht mehr zurück. Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Stadt stellten die Leute Rake die Frage: ›Warum genau lassen Sie die Kinder durch die Hitze rennen, bis sie kotzen?‹«
»Was hat er geantwortet?«
»Rake hat nicht geantwortet. Rake hat gar nichts gesagt. Rake blieb daheim und versuchte, das Donnerwetter zu überstehen. Viele Leute, auch viele, die für ihn gespielt hatten, dachten: ›Jetzt hat Rake es also doch noch geschafft, einen von den Jungs umzubringen.‹ Aber es gab genug Sturköpfe, die sagten: ›Der Junge war einfach nicht hart genug, um ein Spartan zu sein.‹ Die Stadt war gespalten. Ziemlich unschöne Sache.«
»Dieser Reardon gefällt mir«, bemerkte Neely.
»Ein zäher Bursche. Spät an diesem Montagabend hat er Rake angerufen und ihn gefeuert. Am Dienstag ist das Ganze eskaliert. Rake konnte es natürlich nicht ertragen zu verlieren, in welcher Form auch immer, also hat er herumtelefoniert und den Fanklub aufgescheucht.«
»Keine Reue?«
»Wer kann schon wissen, wie er sich gefühlt hat? Die Beerdigung war fürchterlich, das kannst du dir ja denken. Die Schüler haben alle geheult, ein paar sind in Ohnmacht gefallen. Die Spieler waren in ihren grünen Trikots da. Bei der Zeremonie am Grab hat die Kapelle gespielt. Und alle Augen waren auf Rake gerichtet, der ziemlich bemitleidenswert aussah.«
»Rake war schon immer ein guter Schauspieler.«
»Und das wussten ja auch alle. Er war vor nicht mal vierundzwanzig Stunden gefeuert worden, sodass die Beerdigung zusätzliche Dramatik durch seinen Abschied erhielt. Es war ein Spektakel, und das wollte natürlich keiner versäumen.«
»Ich wünschte, ich wäre da gewesen.«
»Wo warst du zu der Zeit?«
»Im Sommer ’92? Irgendwo im Westen. Wahrscheinlich in Vancouver.«
»Der Fanklub hat versucht, am Mittwoch eine Versammlung in der Schulaula einzuberufen. Aber Reardon sagte: ›Nicht auf diesem Schulgelände.‹ Also haben sie sich bei den Kriegsveteranen getroffen und eine Eddie-Rake-Gedenkstunde abgehalten. Ein paar Heißsporne haben damit gedroht, den Geldhahn zuzudrehen, die Spiele zu boykottieren, Reardons Büro zu besetzen. Sie wollten sogar eine neue Schule gründen, wo sie dann wahrscheinlich Rake angebetet hätten.«
»War Rake dabei?«
»O nein. Er hat Rabbit hingeschickt und sich damit begnügt, zu Hause zu bleiben und zu telefonieren. Er war fest davon überzeugt, genug Druck machen zu können, um seine Stelle wiederzubekommen. Aber Reardon hat nicht nachgegeben. Er ist zu den Assistenztrainern gegangen und wollte Snake Thomas zum neuen Head-Coach ernennen. Snake hat abgelehnt, daraufhin hat Reardon ihn gefeuert. Donnie Malone hat ebenfalls abgelehnt, und Reardon hat ihn auch gefeuert. Dann hat Quick Upchurch abgelehnt – und Reardon hat ihn gefeuert.«
»Der Mann gefällt mir immer besser.«
»Schließlich haben sich die Griffin-Brüder bereit erklärt, so lange einzuspringen, bis sich jemand Neues finden würde. Sie haben Ende der Siebziger für Rake gespielt …«
»Ich weiß. Die mit der Pecannuss-Plantage.«
»Genau. Großartige Spieler, nette Typen, und da Rake ja nie etwas an seiner Methode geändert hatte, kannten sie das System, die Spielzüge und außerdem die meisten Jungs. Dann kam der Freitagabend, das erste Spiel der Saison. Wir spielten gegen Porterville, und eigentlich war der Boykott schon im Gange. Nur wollte natürlich keiner das Spiel verpassen. Rakes Befürworter, die wohl in der Überzahl waren, konnten nicht wegbleiben, denn sie wollten ja, dass das Team haushoch verliert. Die echten Fans waren aus den richtigen Beweggründen dort. Das Stadion war also rappelvoll wie immer, und von allen Seiten kamen die unterschiedlichsten Loyalitätsbekundungen. Die Spieler waren
Weitere Kostenlose Bücher