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Der Coach

Titel: Der Coach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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härter trainieren. Doch kaum ein Team hatte jemals eine solche Gnadenlosigkeit erlebt, wie sie Rake im August 1992 an den Tag legte.
    Nach einem missglückten Testspiel am Samstagnachmittag ließ Rake ein Donnerwetter auf sein Team niedergehen und legte ein Training für den Sonntagmorgen fest. Das kam nur selten vor, weil vor Jahren einmal die Kirchen daran Anstoß genommen hatten. Das Training fand um acht Uhr statt, damit die Jungs anschließend genug Zeit hatten, zur Messe zu gehen – falls sie dazu noch in der Lage waren. Rake bemängelte vor allem die schlechte Kondition der Spieler, und das, obwohl jedes Messina-Team im Training hunderte Sprints lief.
    Shorts, Schulterpolster, Trainingsschuhe, Helme: reines Konditionstraining ohne Körperkontakt. Um acht Uhr zeigte das Thermometer schon fast zweiunddreißig Grad, es war schwül, keine Wolke am Himmel. Sie machten Dehnübungen und liefen dann zum Aufwärmen eine Runde um das Feld. Als Rake eine weitere Runde forderte, waren die Spieler bereits schweißgebadet.
    Auf Platz 2 der Liste der gefürchteten Torturen, gleich nach dem Spartan-Marathon, stand das Tribünenlaufen. Die Spieler wussten nur zu gut, was es bedeutete, und als Rake »Tribünen!« brüllte, hätte mindestens die Hälfte am liebsten gleich aufgegeben.
    Angeführt von Randy Jaeger, dem Kapitän, formierte sich das Team widerwillig zu einer langen Reihe und begann, in leichtem Laufschritt die Bahn entlangzulaufen. Als sich die Reihe der Gegentribüne näherte, durchquerte Jaeger ein Tor und begann, die Tribüne hinaufzulaufen, zwanzig Reihen hoch, dann an der oberen Brüstung entlang, dann zwanzig Reihen hinunter bis zum nächsten Block. Acht Blöcke auf dieser Seite, danach zurück auf die Laufbahn und um die Endzone herum zur Haupttribüne. Fünfzig Reihen hoch, an der oberen Brüstung entlang, fünfzig Reihen hinunter und weitere acht Blöcke, hoch und runter, hoch und runter, hoch und runter, dann zurück auf die Laufbahn zu einer neuen Runde.
    Nach der ersten, quälenden Runde fielen die LineSpieler langsam zurück, und Randy, der über eine schier unbegrenzte Kondition verfügte, befand sich weit an der Spitze. Rake stapfte auf der Bahn umher, die Trillerpfeife um den Hals, und brüllte die Nachzügler an. Er mochte das Geräusch, das entstand, wenn fünfzig Spieler die Tribünen hoch- und runterliefen. »Ihr seid nicht in Form, Jungs«, sagte er, gerade laut genug, dass es jeder hören konnte. »So einen lahmen Haufen hab ich noch nie erlebt«, knurrte er, wieder nur so eben verständlich. Rake war berühmt für sein unüberhörbares Knurren.
    Nach der zweiten Runde brach ein Tackle auf dem Rasen zusammen und musste sich übergeben. Die schwereren Spieler liefen immer langsamer.
    Scotty Reardon war in der vorletzten Klasse und gehörte zum Special-Team. Damals im August brachte er über siebzig Kilo auf die Waage, doch bei seiner Obduktion wog er nur noch knapp fünfundsechzig. Bei der dritten Tribünenrunde kollabierte er auf der Haupttribüne, zwischen der dritten und der vierten Reihe, und er kam nie wieder zu sich.
    Da es Sonntagmorgen war und ein Training ohne Körpereinsatz, war auf Rakes Anweisung hin keiner der beiden Teamtrainer anwesend. Es wartete auch kein Krankenwagen in der Nähe. Die Jungs erzählten später, dass Rake Scottys Kopf in seinen Schoß gebettet hatte, während sie eine Ewigkeit darauf warteten, endlich ein Martinshorn zu hören. Doch Scotty war schon auf der Tribüne tot und wurde unwiderruflich für tot erklärt, als er schließlich im Krankenhaus war. Hitzschlag.
    Paul erzählte diese Geschichte, während sie die gewundenen, schattigen Wege auf dem Friedhof von Messina entlanggingen. Im neueren Bereich, am Fuß eines steilen Hangs, befanden sich kleinere Grabsteine, und die Gräber waren symmetrischer angeordnet. Paul deutete mit dem Kopf auf einen der Steine, und Neely kniete sich hin und betrachtete ihn genauer. Randall Scott Reardon. Geboren am 20. Juni 1977. Gestorben am 21. August 1992.
    »Und da werden sie ihn also begraben?«, fragte Neely und wies auf einen freien Platz neben Scottys Grab.
    »Sagen die Gerüchte«, erwiderte Paul.
    »Diese Stadt ist immer für Gerüchte gut.«
    Sie gingen ein Stück weiter zu einer schmiedeeisernen Bank unter einer kleinen Ulme, setzten sich und betrachteten Scottys Grab. »Wer hat den Mut aufgebracht, ihn zu feuern?«, fragte Neely.
    »Es ist einfach der Falsche gestorben. Scottys Familie ist durch Bauholz zu Geld

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