Der Code des Luzifer
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Max griff nach dem Messer mit der kurzen Klinge, das als Brieföffner diente. Er setzte sich hin, zog einen seiner Turnschuhe aus, bohrte das Messer in die Ferse und kratzte das Gelpolster heraus.
Dann hielt er den Stein mit zwei Fingern hoch.
»Früher oder später hätte sich sowieso jemand den Anhänger geholt. Ich hab Zabalas Stein ausgetauscht, als ich in Abdullahs Riad war.«
»Und Sophie?«
»Hat ein Steinchen aus einem Getränkeuntersetzer. Sie hat nichts«, sagte Max.
Angelo Farentino hatte seine Zigarre zur Hälfte aufgeraucht. Max Gordons Vater hatte tatsächlich keine Ahnung, wer er war, und der Brocken von Bodyguard und Krankenpfleger war außer Hörweite – dieses Gespräch blieb also unter ihnen. Nur Farentino würde sich daran erinnern. Doch bei dem, was Tom Gordon ihm erzählte, blieb ihm die Spucke weg. Die Zigarre war ausgegangen und er hatte einen bitteren Nachgeschmack auf der Zunge, der mehr von der Angst herzurühren schien als vom Tabak.
Ganz beiläufig hatte Tom Gordon davon erzählt, wie er und andere Wissenschaftler und Forscher vor vielen Jahren einmal in die Schweiz gefahren waren. Sofort wurde Farentino hellhörig. Gordons Gedächtnis war wie ein Puzzle und nicht alle Stücke passten zusammen, aber seine bruchstückhaften Erinnerungen ergaben für Farentino nach und nach doch ein Bild.
Umweltgruppen hatten Untersuchungen über den großen nuklearen Teilchenbeschleuniger in der Schweiz angestellt und waren eingeladen worden, sich vor Ort selbst von den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu überzeugen. Farentino erinnerte sich an diese Zeit, hatte in groben Zügen sogar noch den Artikel parat, den irgendjemand darüber geschrieben und den er dann veröffentlicht hatte; es ging darin um die schmelzenden Alpengletscher und um die Gefahr, dass hier elektromagnetische Energie entstand, die zum Klimawandel in der Region beitragenkonnte. Still und leise, um kein Aufsehen zu erregen, wurden Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, die diese Untergrund- Forschung begleiteten – ähnlich einer Firewall auf einem Computer. Eine Schutzmauer. Aber niemand wusste, ob das ausreichte, sollte es in dem Gebiet zu einer Katastrophe kommen.
Angelo Farentino war unbeabsichtigt an Informationen gelangt, die an Fedir Tischenko weitergeleitet werden mussten. Nicht einmal Tischenko konnte voraussehen, was für Schäden drohten, wenn er seine Pläne zur Nutzbarmachung der Naturkräfte weiterverfolgte. Oder doch?
Wenn Farentino sich den Behörden anvertraute, würde man ihn verhaften, unabhängig davon, ob man diese längst wieder in Vergessenheit geratene Theorie glaubte oder nicht. Er konnte sich auch nicht verstecken. Wenn diese Information stimmte, würde alles, was Farentino besaß, jedes Fitzelchen seines Reichtums, vernichtet werden. Aktienmärkte würden zusammenbrechen, Banken in Konkurs gehen, Grundbesitz würde wertlos werden. Kernschmelze. Gewaltige Zerstörungen ungeahnten Ausmaßes.
Wenn er das Weite suchen und sein Geld um die Welt verschieben würde, sich zum Beispiel nach Brasilien oder auf einen Flecken Erde mitten im Pazifischen Ozean absetzen würde, besäße Fedir Tischenko trotzdem genügend Mittel, um ihn zu finden und zu töten. Und wenn er sich nicht aus dem Staub machte, war sowieso alles vorbei. In dieser Situation konnte er nicht mehr gewinnen.
Dass eine große Anzahl von Menschen sterben oder die Umwelt unwiderruflich zerstört werden würde, bereitete ihm kein Kopfzerbrechen – er sorgte sich allein um seinen Reichtum. Das war der Hauptgrund, warum er jeden verraten hatte. Sein großer Reichtum. Das war einfach nicht fair! Warum musste er daserfahren? Warum hatte das Schicksal keinen anderen auf den heißen Stuhl gesetzt?
Angelo Farentino war kein Held, aber er würde seine ganze Überzeugungskraft aufbieten und Tischenko davon überzeugen müssen, dass er mit seinen Plänen ein entsetzliches Chaos auf der Erde anrichten konnte.
Die Vans hielten zum Tanken an, aber der Hai ließ Bobbys Kleinbus außer Sichtweite auf der Zufahrtsstraße zu der Raststätte halten. Sie füllten Kanister mit Diesel und betankten den Bus im Schutz der Bäume.
Sayid wälzte sich herum, stützte sich mit dem Rücken gegen die Innenwand des Wagens und vergewisserte sich, dass sein Gips das Gekritzel auf der Unterseite von Bobbys Surfbrett überdeckte. Die Tür ging auf – Sayid zuckte zusammen. Peaches kletterte herein. Sie sah ihn an und er wandte die Augen ab. Mit etwas Gefährlichem
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