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Der Code des Luzifer

Der Code des Luzifer

Titel: Der Code des Luzifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilman
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Tränen brannten ihm in den Augen. Er hatte solche Angst gehabt! Es war keine Schande, ein verletzlicher Mensch zu sein. Dad. Oh, Dad, ich hatte richtig total Angst. Max konnte nichts dagegen tun – sein Körper bebteplötzlich vor tiefen Schluchzern. Der Schrecken musste raus und brach sich in Tränen Bahn.
    Max holte ein paarmal tief Luft. Jetzt ging es wieder. Er pustete den Schnee und die Spucke weg. Seufzte. Er war okay. Er war okay! Er sah bestimmt zum Fürchten aus. Völlig fertig saß er auf dem kalten Boden, seine Boxershorts halb über den Hintern runtergerutscht, einen Schuh an, den anderen aus, müffelndes Stroh in den Haaren, blau angelaufen und mit einer Gänsehaut. Und ihm gegenüber ein Monster von einem Eisbären, der ihn immer noch gern zum Abendbrot verspeisen wollte.
    Von der Rutschpartie durch das eisige Wasser taten Max immer noch die Ohren weh; das Rauschen der Wasserrinne und das kurze, hechelnde Brummen des Bären vernahm er nur gedämpft. Auch gut. Ein bisschen Ruhe, das konnte er jetzt gut brauchen.
    Max schnappte sich einen der leeren Säcke und rubbelte sich mit dem groben Leinen den ganzen Körper ab. Er musste unbedingt wieder warm werden, musste dafür sorgen, dass sich seine Körpertemperatur wieder erhöhte. Endlich spürte er, wie das Blut seine Haut zum Prickeln brachte. Das tat weh, als werde er mit tausend Nadeln gestochen, aber mit dem wieder einsetzenden Blutkreislauf kehrten Wärme und Wohlbefinden zurück. Während er sich anzog, stopfte er sich jedes bisschen Essen, das er finden konnte, in den Mund. Die faden Chips und das Wasser aus der Flasche, die er aus dem verlassenen Bus mitgenommen hatte, folgten. Jetzt fühlte er sich wieder halbwegs lebendig. Seine Turnschuhe waren zwar noch nass, aber mit den trockenen Socken und Sachen fühlte er sich schon gleich hundertmal besser.
    Max sah sich um. Die riesige Halle war nach praktischen Gesichtspunktenangelegt und glich einem großen Lager. Leere Eisenkäfige, vielleicht zwanzig oder noch mehr, waren an den Wänden aufgereiht, wo der Eisbär immer noch hin- und herlief. Ruhende Maschinen, Holzpaletten, ein Gabelstapler, mit Salz gefüllte Säcke. Deswegen brannten die Schnitte und die blauen Flecke, die er abgekriegt hatte, so sehr! Offenbar schütteten sie Salz ins Schwimmbecken des Eisbären. Dann musste es auch einen Weg nach draußen geben! Ein Lastenaufzug erhob sich zwischen den leeren Käfigen, die Plattform offen und groß genug, um den Gabelstapler daraufzufahren, und zweifellos dafür genutzt, schwere Lasten nach hier unten zu transportieren.
    Dann hörte Max ein Geräusch aus einem Käfig direkt unter dem Lastenaufzug. Es war leise, kaum hörbar über dem Rauschen des Wassers, das unablässig in die Tiefe stürzte. Es war eine menschliche Stimme. Jemand rief matt um Hilfe.
    »Sayid?«, rief Max und rannte schon an ein paar leeren Käfigen vorbei dorthin, wo das Wimmern herkam.
    Der Käfig war verschlossen, auf dem Boden war Stroh aufgeschüttet. Ein Körper lag zusammengerollt hinter den Gitterstäben, das Gesicht blau unterlaufen und mit Stoppeln und Schmutz bedeckt. Seine Augen suchten die von Max, seine Hände hoben sich um Hilfe flehend in die Höhe.
    »Max«, flüsterte die heisere Stimme.
    Max stand vor dem Gitter, der Schock machte ihn für einen Augenblick sprachlos. Der Mann, der dort in ramponierter Kleidung und blutüberkrustet lag, war Angelo Farentino.
     
    Tischenko hatte nie jemanden körperlich angreifen müssen. Es hatte immer andere gegeben, die das für ihn erledigten. In den Höhlen und Hallen der Zitadelle hatte er eine Kernmannschaftbewaffneter Wachleute zur Verfügung. Die Männer stammten zum größten Teil aus Tischenkos Heimat und suchten Schutz in dessen Machtbereich. Wie ihre Väter vor ihnen gehörten diese Killer zu den Vucari – dem Stamm der Männer, die andere in Angst und Schrecken versetzten, indem sie sich den Aberglauben der Menschen zunutze machten oder direkt Gewalt anwendeten. Für das Privileg, zu einer Gruppe zu gehören, die im Grunde eine kleine Privatarmee war, taten sie alles, was ihnen befohlen wurde. Und einer dieser Kerle hatte dem Hai gerade den Kolben einer halbautomatischen Maschinenpistole in den Bauch gerammt.
    Der Hai ging krachend zu Boden und blieb schmerzverkrümmt an der Wand liegen. Er hatte Tischenko treu gedient, seit der Mann mit der schuppigen Haut ihn und seine Gang vor acht Jahren auf den Straßen von Berlin aufgelesen hatte. Kinder wurden zu

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