Der Code des Luzifer
ihm ein großes Geheimnis anzuvertrauen, und nötigte Max dadurch zum Zuhören. »Dein Vater, das ist viele Jahre her, du warst noch nicht auf der Welt – er wusste von diesem Gebiet hier, er gehörte zu einem Team. Hör mir zu, Max, du musst mir zuhören, denn davon hat mir dein Vater erzählt. Dein Vater .«
Max zögerte einen Moment. »Erzählt? Wovon?«, fragte er und sah, dass Farentinos Schultern erleichtert herabfielen, weil er Max am Haken hatte.
Farentino sprudelte und zischte die Wörter förmlich heraus. »Erdströme, natürliche elektromagnetische Wellen, Energieadern, die unter der Erdoberfläche liegen. Wie Haarrisse in der Erdkruste.«
Max verstand. Sein Dad hatte ihm das mal erklärt, als ihre Kompassnadel verrücktspielte. Diese elektromagnetischen Ströme wurden an verschiedenen Orten der Welt gemessen. Firmen nutzten die aus den Energieflüssen gewonnenen Daten für Voraussagen über Veränderungen der elektrischen Verhältnisse auf der Erde, für das Aufspüren von Erdölvorkommen und Verwerfungen – für alles Mögliche, von geothermischenWasservorräten bis hin zu unterirdischen Vulkanen. Die Stärke dieser Ströme hatte Einfluss auf das Wettergeschehen, auf die atmosphärische Elektrizität, und ließ schwere Gewitter entstehen. Die Amerikaner nutzten sie im neunzehnten Jahrhundert sogar für ihr Telegrafensystem.
Und weiter?
»Das ist mir egal, Angelo. Das ist eine Nummer zu groß für mich. Ich kann weder Sie noch diesen Ort retten. Aber Sie können mir helfen, meinen Freund zu retten.«
Max wandte sich wieder zum Gehen. Irgendwo in diesem Felsenreich wurde Sayid Khalif gefangen gehalten, und Max brauchte all seine Kraft, wenn er seinen Freund retten wollte.
Farentino rief ihm nach. »Dieser Verrückte wird eine Explosion auslösen, die Genf zerstört! Die wird den ganzen See zerreißen! Das Kernforschungszentrum in die Luft jagen! Max! Warte! Die Schockwelle wird die Erde von hier bis Paris aufwerfen. In ein paar Stunden sind dieser Berg und die Hälfte der Alpen nicht mehr da! «
Farentino hatte Recht. Es waren nur noch ein paar Stunden Zeit. Das war Max bewusst. Die Zeit war ihm davongelaufen. Es war schon alles zu spät. Er wusste ja nicht einmal, wo Sayid sich befand, geschweige denn, wie er ihn hier rausholen sollte.
Was Max betraf, konnte Angelo Farentino zusehen, wie er allein zurechtkam. Doch es verunsicherte ihn schon ein wenig, dass er so kaltblütig war. Ohne ihn war der Mann dem Tod ausgeliefert.
Der Lastenaufzug kam in Bewegung. Irgendjemand auf einer höheren Ebene holte ihn per Knopfdruck zu sich herauf. Max rannte zu der langsam nach oben fahrenden Plattform. Noch einen Meter, dann hatte er die Hände am Aufzugsgerüst. Er würde unbemerkt nach oben mitfahren.
In diesem Augenblick ließ Farentinos verzweifeltes Schreien ihn erstarren.
»Deine Mutter! Ich weiß, wie sie gestorben ist. Wie sie wirklich gestorben ist! «
27
F arentinos Worte trafen Max bis ins Mark. Er hatte sich zu lange aufhalten lassen. Die Plattform kam herunter und mit ihr vier Männer, jeder mit einer Maschinenpistole im Anschlag. Fluchtmöglichkeiten gab es hier keine. Farentino hatte ihn mit seiner Bemerkung gelähmt und ihm jegliche Entschlusskraft genommen. Seine Mutter. Max wusste, sie war bei einer Forschungsreise im Regenwald in Mittelamerika umgekommen, als er elf Jahre alt war. Vielleicht spielte Farentino Spielchen und redete ins Blaue hinein, nur damit Max ihm half.
Tischenkos Wachmänner hielten ihn fest, während der Lastenaufzug nach oben fuhr. Max blieb auf der Hut, suchte nach irgendetwas, das ihm helfen konnte, wenn er floh. Denn fliehen würde er, das stand fest. Er musste sicher sein, dass Angelo Farentino nicht gelogen hatte.
Dieser Lastenaufzug funktionierte wie ein einfacher Lift und wurde, so nahm Max an, nur für die unteren Ebenen der Anlage benutzt. Auf allen Stockwerken, die sie passierten, waren Tunnel in den Fels gehauen, die in verschiedene Richtungen führten. Generatoren, Kraftwerke und Depots für alles Mögliche befanden sich hier unten.
Der Aufzug hielt an und die Männer schoben ihn von der Plattform, erst über eine gepflegter aussehende Ebene und dann weiter in einen schicken, modernen Lift. Wenig später ging die Tür des Expresslifts auf, und Fedir Tischenko trat ihnen entgegen.Max drehte sich der Magen um. Ein gedrungener, kleiner Mann mit einer Haut wie eine Eidechse sah ihn an. Sein Gesicht war zur Hälfte mit Haar bedeckt, dicht wie ein Fell.
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