Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Codex

Titel: Der Codex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
Vom Netzwerk:
Fersen he f ten. Er wird mir nicht entwischen. Auch wenn wir vielleicht in die Zivilisation zurückkehren müssen - ich komme wi e der. Die Sache ist damit auf keinen Fall erledigt.«
    Philips Füße waren noch immer infiziert, sodass er nicht gehen konnte. Don Alfonso flocht eine Tragematte mit zwei kurzen Stäben, die man als Griffe über die Schultern legen konnte. Das Packen dauerte nicht lang. Als die Zeit zum Abmarsch kam, hievten Tom und Vernon Philip hoch. Sie gingen im Gänsemarsch durch die schmale Lücke in der Vegetation. Sally schwang ihre Machete und marschierte voran. Don Alfonso bildete die Nachhut.
    »Tut mir Leid, dass ich so 'ne Belastung bin«, sagte Philip und zog seine Pfeife hervor.
    »Du bist eine verdammte Belastung«, stimmte Vernon zu.
    »Ja, erlaub mir, dass ich vor Zerknirschung Asche auf mein Haupt streue.«
    Tom hörte seinen Brüdern zu. So war es immer gewesen. Sie zogen sich ständig gegenseitig auf. Manchmal verlief die Sache im freundlichen Bereich, aber nicht immer. Es freute ihn irgendwie, dass es Philip immerhin so gut ging, dass er Vernon auf den Arm nehmen konnte.
    »Jemine«, sagte Vernon, »hoffentlich rutsche ich nicht aus und lass dich in ein Schlammloch fallen.«
    Don Alfonso überholte sie bei seinem letzten Kontrollgang und überprüfte ihre Rucksäcke. »Wir müssen so leise wie möglich sein«, sagte er. »Und nicht rauchen, Philip. Sie werden es riechen.«
    Philip steckte die Pfeife fluchend ein. Es fing an zu regnen. Den Kranken zu tragen erwies sich weitaus schwieriger, als Tom es sich vorgestellt hatte. Es war sehr beschwerlich, Philip die schlüpfrigen Pfade hinaufzuwuchten, und wenn sie ihn über schwankende Stämme trugen, die sie als Brü c ke über rauschende Flüsse gelegt hatten, war es eine Ü bung in Sachen Entsetzen. Don Alfonso beäugte alles mit wac h samen Blicken und zwang sie zu schweigen. Sogar der Ei n satz der Macheten wurde verboten. Völlig erschöpft lage r ten sie an diesem Nachmittag auf dem einzigen ebenen Fleck Boden, den sie finden konnten - nichts als klitschna s sem Schlamm. Es goss wie aus Eimern. Das Wasser strömte in den provisorischen Unterstand, den Vernon errichtet hatte, und der Morast war überall. Tom und Sally gingen auf die Jagd und stromerten zwei Stunden durch den Wald, ohne etwas zu finden. Don Alfonso untersagte das Anzü n den eines Feuers, da er befürchtete, man könne es riechen. An diesem Abend bestand ihre Mahlzeit aus rohen, nach Pappe schmeckenden Wurzeln und einigen verfaulten Früchten, in denen sich kleine weiße Würmer tummelten.
    Der Regen rauschte pausenlos vom Himmel herab und verwandelte die Bäche in reißende Ströme. Zehn Stunden mörderischer Anstrengung brachten sie gerade mal fünf Kilometer voran. Der nächste und übernächste Tag fielen fast ebenso aus. Auf die Jagd zu gehen war unmöglich, und Don Alfonso gelang es nicht, einen Fisch zu fangen. Als Nahrung blieben nur Wurzeln, Beeren und halb verga m meltes Obst, das Don Alfonso irgendwo zusammenklaubte. Am vierten Tag hatten sie gerade mal fünfzehn Kilometer zurückgelegt. Der ohnehin vom Hunger stark geschwächte Philip verfiel rapide und wurde erneut hohlwangig. Da er nicht rauchen durfte, verbrachte er den größten Teil des Tages damit, ins Blätterdach des Dschungels hinaufzusta r ren. Wenn man ihn ansprach, reagierte er kaum. Seine Ap a thie hatte sich wieder breit gemacht. Die körperliche A n strengung, ihn auf der Matte zu schleppen, führte dazu, dass sie öfter rasten mussten. Sogar Don Alfonso schien zu schrumpfen. Seine Knochen stachen grauenhaft hervor, se i ne Haut war lose und faltig. Tom wusste nicht mehr, wie es war, wenn man trockene Kleider trug.
    Am fünften Tag rief Don Alfonso gegen Mittag zum Halten. Er bückte sich und hob etwas vom Wegesrand auf: eine Feder, an der ein kleines Stück geflochtene Schnur befestigt war.
    »Bergindianer«, sagte er mit leiser, zittriger Stimme. »Die Feder liegt noch nicht lange hier.«
    Niemand sagte ein Wort.
    »Wir müssen uns in die Büsche schlagen.«
    Der Pfad war schon schlimm genug gewesen. Nun wurde das Gehen fast unmöglich. Sie kämpften sich durch eine Wand aus Farnen und Lianen, die so dicht war, dass sie den Eindruck erweckte, sie wolle sie schier zurückstoßen. Sie krochen unter ihr her, kletterten über umgestürzte Bäume hinweg und wateten durch sumpfige Tümpel, wobei ihnen der Schlamm gelegentlich bis zur Taille reichte. Die Veget a tion wimmelte von Ameisen und

Weitere Kostenlose Bücher