Der Codex
umkehren.«
»Sie haben gesagt, dass wir nie durch den Sumpf kommen. «
»Jetzt wissen wir aber, dass Hauser seine Boote an den Macaturi-Wasserfällen gelassen hat. Wir könnten sie ste h len gehen.«
»Und dann?«, fragte Sally.
»Dann kehre ich nach Pito Solo zurück, und Sie fahren nach Hause.«
»Wir lassen Hauser dort oben, und er bringt alle Me n schen um?«
»Ja.«
Sally war wütend. »Das nehme ich nicht hin. Er muss aufgehalten werden. Wir nehmen Verbindung mit der Regi e rung auf, damit sie Truppen schickt und ihn festnimmt.«
Don Alfonso wirkte nun sehr müde. »Die Regierung wird nichts tun, Curandera.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil Hauser längst Absprachen mit der Regierung g e troffen hat. Wir müssen unsere Ohnmacht einsehen.«
»Und genau das tu ich nicht!«
Don Alfonsos traurige alte Augen musterten sie. Dann kratzte er sorgfältig seine Pfeife aus, klopfte die Tabakkrumen heraus, stopfte sie neu und zündete sie mit einem brennenden Holzscheit an. »Vor vielen Jahren«, sagte er, »als ich noch ein Junge war, kam der erste Weiße in unser Dorf. Ich erinnere mich noch gut daran. Es war ein kleiner Mann mit einem großen Hut und einem Spitzbart. Wir h a ben ihn für einen Geist gehalten. Er zog ein paar kackgelbe Metallklumpen aus der Tasche und fragte, ob wir so was schon mal gesehen hätten. Seine Hände zitterten, in seinen Augen war ein irres Flackern. Wir hatten Angst und sagten Nein. Einen Monat später, während der alljährlichen Übe r schwemmung, trieb sein verschimmeltes Boot den Fluss hinab. Bis auf seinen Schädel und sein Haar befand sich nichts darin. Wir haben das Boot verbrannt und so getan, als hätten wir es nie gesehen.
Im Jahr darauf kam ein Mann mit schwarzem Anzug und Hut den Fluss herauf. Er war ein freundlicher Mensch. Er schenkte uns Kreuze und Nahrung. Er tauchte uns alle in den Fluss und sagte, er habe uns gerettet. Er blieb einige Monate bei uns und schwängerte eine Frau. Dann wollte er durch den Sumpf. Wir haben ihn nie wiedergesehen.
Danach kamen weitere Männer, die nach der gelben Scheiße suchten, die sie Oro nannten. Sie waren noch verrückter als der erste. Sie haben unsere Töchter belästigt, unsere Boote gestohlen und sind flussaufwärts gefahren. Einer kam zurück, allerdings ohne Zunge, deswegen haben wir nie erfahren, was mit ihm passiert war. Dann kamen neue Männer mit Kreuzen. Jeder von ihnen behauptete, die Kreuze der anderen seien nicht die wahren; dass nur die seinen gut seien und die anderen Schrott. Sie tauchten uns erneut in den Fluss. Dann tauchten uns die anderen noch mal unter und sagten, die ersten hätten es falsch gemacht. Dann kamen andere und tauchten uns wieder unter, bis wir gründlich durchnässt und verwirrt waren. Später kam ein Weißer ganz allein zu uns. Er lebte bei uns, lernte unsere Sprache und erzählte, die Männer mit den Kreuzen hätten sie nicht alle. Er nannte sich einen Anthropologen. Er ve r brachte ein Jahr damit, seine Nase in unsere sämtlichen Pr i vatangelegenheiten zu stecken. Er stellte uns einen Haufen dämliche Fragen über Sex, wer bei uns mit wem verwandt sei und was nach dem Tod mit uns geschähe; was wir essen und trinken, wie wir Krieg führen oder Schweine braten. Er hat alles aufgeschrieben, was wir geantwortet haben. Die boshafteren Angehörigen unseres Stammes, zu denen auch ich gehöre, haben ihm unglaubliche Bären aufgebunden, aber er hat alles mit ernsthafter Miene niedergeschrieben und gesagt, er wolle unsere Geschichten in einem Buch veröffentlichen, das alle Amerikaner lesen würden. Dann würden wir berühmt. Wir haben uns schlapp gelacht.
Dann kamen Männer in Begleitung von Soldaten den Fluss herauf. Sie hatten Schießeisen und Papiere, die wir alle unterschrieben haben. Sie haben dann gesagt, wir hä t ten uns einverstanden erklärt, einen neuen Häuptling zu haben, der viel mächtiger sei als der Dorfhäuptling, und dass wir uns einverstanden erklärt hätten, ihm das ganze Land mit allen Tieren, Bäumen, Bodenschätzen samt dem unter der Erde liegenden Öl zu schenken - falls es dies dort gab. Das hielten wir alle für sehr komisch. Sie schenkten uns ein Bild von unserem neuen Häuptling. Er war sehr hässlich; sein Gesicht war so pockennarbig wie eine An a nas. Als unser richtiger Häuptling dagegen protestierte, haben sie ihn mit in den Wald genommen und erschossen.
Dann kamen Soldaten mit Männern, die Aktenkoffer bei sich trugen. Sie sagten, es habe eine
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