Der Colibri-Effekt
Beamten
fremdbestimmen lassen.
»Und wer,
zum Teufel, sind Sie?«, ereiferte er sich erbost und wandte sich immer noch
wütend dem Kriminalhauptkommissar zu. Ton und Lautstärke des Barons riefen
allerdings sofort wieder die Riemenschneiderin auf den Plan, die diesmal nicht
nur knurrte, sondern auch noch ihre Vorderfüße an das rechte Schienbein des
Barons stellte. Auf der Stelle machte von Rotenhenne zwei Schritte zurück.
»Rufen Sie sofort Ihr Schwein zurück, oder ich hole meine Doppelläufige!«
»Riemenschneider,
mach Platz«, befahl Haderlein, und das kleine Ferkel setzte sich sofort und
akkurat neben seinen linken Fuß, so wie es das in seiner Polizeihundeausbildung
in Neuendettelsau gelernt hatte. Der Baron konnte nur konsterniert staunen.
Haderlein
entschloss sich, die Gunst der Stunde zu nutzen. »Also, Herr von Rotenhenne.
Mein Name ist Haderlein, Kriminalpolizei Bamberg. Ich leite hier die
Ermittlungen.«
Der Blick
des Barons flog noch immer zweifelnd zwischen der Riemenschneiderin und
Haderlein hin und her. Immerhin schien das Polizeischwein tatsächlich gut
erzogen zu sein, und dieser Haderlein machte im Gegensatz zu den anderen beiden
Frischlingen, die ihm die Handschellen angelegt hatten, einen fähigen und vor
allem viel verständnisvolleren Eindruck. Wenn er die Jungkommissare allerdings
noch einmal in die Finger bekäme …
»Herr
Baron, ich möchte Ihnen ein paar Fragen zu Ihrem Mieter, Herrn Kiesler,
stellen.«
»Herr
Haderlein«, begann der Baron nun überraschend ruhig und gefasst. Er war bedacht
darauf, sachlich zu wirken, schließlich hatte man einen Toten auf seinem
Grundstück entdeckt. Besonders in seiner Position galt es da, Haltung zu
bewahren. »Bei all den Vorwürfen gegen Hans, die ich Ihren jungen Kollegen
gegenüber geäußert habe, handelte es sich bei dem Konflikt zwischen mir und ihm
doch ausschließlich um einen im fachlichen Bereich. Hans’ botanische
Fachkenntnisse waren rudimentär, und wenn er in ökologischen Fragen mit meinen
Ansichten kolli–«
»Danke,
Herr von Rotenhenne«, unterbrach Haderlein den beginnenden Monolog des Barons.
Das Gespräch drohte in eine völlig falsche Richtung zu laufen.
»Wie
lange kannten Sie denn Herrn Kiesler – und woher?«
»Hans
Kiesler kam als wandernder Zimmermann an der Burgbaustelle vorbei und bot sich
an, bei den Bauarbeiten mitzuhelfen. Da wir jede Hilfe nötig hatten, habe ich
ihn auf Probe eingestellt. Er machte einen sehr korrekten und kompetenten
Eindruck. Das war vor mehr als einem halben Jahr, im September letzten Jahres,
glaube ich. Seitdem habe ich Hans auf der Baustelle als ausgesprochen fleißigen
und fähigen Zimmermann erlebt, der sich nicht gescheut hat, auch andere
Arbeiten zu verrichten. In dieser Hinsicht konnte ich mich wirklich nicht über
ihn beklagen.« Haderlein hörte sich alles an, während Lagerfeld sich Notizen
machte. Im Beisein des Barons war es für ihn wohl erst einmal das Beste, die
Klappe zu halten.
»Und wie
kam es dann dazu, dass er als Mieter in Ihr Gartenhaus einzog?«, fragte
Haderlein.
Der Baron
seufzte. »Ach, na ja, Mieter. Sie wissen doch, wie das mit den jungen Leuten
ist, Herr Kommissar. Als Berufsanfänger haben sie kein Geld in der Tasche und
kommen völlig abgerissen daher.« Bei diesen Worten warf er einen zynischen
schnellen Blick auf Lagerfeld und dessen weiß bekleckerte Kleidung. Der schrieb
ungerührt auf seinem Block weiter und ignorierte den Baron.
»Und
deshalb haben Sie ihn in Ihrem Gartenhaus wohnen lassen«, stellte Haderlein
fest.
»Wissen
Sie, Herr Kommissar, in diesem Haus haben schon etliche meiner Arbeiter
gewohnt, die nur kurz bei der Renovierung der Burg mitgeholfen haben. Wenn die
Arbeitsleistung stimmt«, er zuckte mit den Schultern, »dann bin ich ein sehr
großzügiger Mensch. Hans hat seinerzeit zuerst in seinem Kleinlaster
geschlafen. Zwischen seinen Werkzeugen, mitten im Winter, das müssen Sie sich
mal vorstellen. Nachdem das eine ganze Zeit lang so ging, habe ich ihm das
Gartenhaus angeboten. Mein Gott, ist das alles schrecklich.« Betroffen
schüttelte er den Kopf.
»Und wo
steht dieser Laster?«, fragte Haderlein beiläufig, während er sich suchend
umschaute.
»Der
parkt dahinten gleich am Ortseingang von Baunach. Ich habe Hans gesagt, er soll
ihn dort abstellen, weil er hier ja nur die Straße versperrt hätte.« Er deutete
etwas zerfahren Richtung Ortsmitte. »Mein Gott, das ist wirklich eine
Tragödie.«
Haderlein
gab Huppendorfer
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