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Der Colibri-Effekt

Der Colibri-Effekt

Titel: Der Colibri-Effekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Hirsche, Elche, Menschen. Er dachte ausschließlich in
technischen beziehungsweise geschäftlichen Kategorien. Die Abschussprämie für
einen Menschen war ungefähr genauso hoch wie die für kapitales Rotwild oder
einen Bären. Zumindest in dem Gewerbe, in dem er arbeitete. Waidmännischer
Firlefanz trieb ihn schon lange nicht mehr um. Für seine Fähigkeiten hatten
sich inzwischen ganz andere Möglichkeiten aufgetan. Sein aktueller Job war
allerdings kein typischer Fall von Gelegenheitsarbeit. Eher schon ein
Volltreffer. Man hatte ihn darüber informiert, wann das Ziel wo auftauchen
würde, ihm einen Garmin-Ortungsscanner in die Hand gedrückt und das
Geschäftliche geregelt. Zehntausend Kronen als Anzahlung und noch einmal so
viel, wenn der Auftrag erledigt war. Nicht einmal den Dreck wegräumen musste
er, das würde sein Kumpel erledigen, der zehn Meter weiter auf der Lauer lag.
Kolja war eigentlich nur zur Sicherheit und zum späteren Entsorgen dabei. Eine
Art schusstechnisches Back-up, falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte.
Dafür würde er ihm fünfhundert zahlen. Schnell verdientes Geld für ein bisschen
Aufpassen und das Graben eines Loches. Zum wiederholten Mal schaute Gregory auf
seinen Scanner. Die Sache war ziemlich persönlich, und er würde verdammt auf
der Hut sein müssen. Sie hatten ihn gewarnt, dass der Auftrag eventuell nicht
so einfach zu erledigen sein würde, wie er auf den ersten Blick wirkte. Na, mal
sehen, wie gut sein Ziel wirklich war. Im Moment konnte er jedenfalls davon
ausgehen, dass es ihm jeden Moment ins Fadenkreuz laufen würde. Etwas stutzig
machte ihn nur, dass sich die Zielperson schon seit einer halben Stunde nicht
mehr bewegt hatte. Vielleicht hielt der Typ ja eine Siesta hinter seinem Stein?
Na gut, irgendwann würde er aufwachen und seinen Weg ins Tal fortsetzen. Und
dann würde er notgedrungen den Bereich seiner israelischen Spezialanfertigung
durchqueren. Gregory wollte gerade wieder auf sein Peilgerät schauen, als es
hinter ihm leise knackte. Bevor er jedoch auch nur andeutungsweise reagieren
konnte, legte sich ein kräftiger Arm um seinen Hals. Er brachte noch ein kurzes
Grunzen heraus, dann wurde ihm der Kopf mit einem entschlossenen Ruck verdreht,
und sein Genick brach mit einem trockenen Knacken. Der tote Körper hatte, dem
Newton’schen Gesetz folgend, den Waldboden noch nicht erreicht, da flog bereits
das Survivalmesser Gregorys, von fremder Hand geschleudert, in Richtung seines
Kumpels Kolja. Der wollte sich gerade über die unbotmäßigen Geräusche
beschweren, als die schwere Klinge seinen Hals durchdrang und Luftröhre sowie
Halsschlagader durchbohrte. Stumm und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck
sank der Kerl von einem Mann in sich zusammen. Innerhalb von dreißig Sekunden
war alles vorbei: Beide Männer waren tot.
    Sofort
durchsuchte er die Kleidung der beiden. Er förderte Kaugummis, Taschentücher et
cetera zutage. Allerdings auch zwei Han- dys. Bei beiden war die Stummschaltung
aktiviert. Er notierte sich jeweils die letzten drei Telefonnummern, mit denen
telefoniert worden war, dann schaltete er sie aus und zertrümmerte sie mit
einem Stein vom Waldboden. Eingeschaltete Mobiltelefone konnten angepeilt
werden, und das Risiko konnte und wollte er nicht eingehen. Zudem hätte er
nicht gewusst, wen er anrufen sollte, er kannte ja nicht einmal seinen eigenen
Namen.
    Er zog
dem älteren der beiden Männer das warme braun karierte Flanellhemd aus, um es
gegen sein eigenes zu tauschen, dann dem jüngeren die Fjällräven-Hose mit
Seitentaschen und klaute ihm außerdem noch die warmen Strümpfe – seine
waren durchnässt – sowie die gefütterten Lederstiefel. Als er seinen
Overall zum Wechseln seiner Kleidung auszog und dabei auf seinen linken
Unterarm blickte, erstarrte er. Schwarz stand dort eine Zahlenreihe 58 43 4194 009 14 428.
    Minutenlang
starrte er die Zahlen an. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, aber ohne
verwertbares Ergebnis. Was sollte das sein? Codes oder die Kombination eines
Tresors? Doch alles Nachdenken brachte ihn keinen Schritt weiter. Also zog er
das Flanellhemd und die Jacke über, die Hose und auch die Stiefel. Alles passte
zufriedenstellend. Den grauen Overall vergrub er ein paar Meter entfernt im
weichen Moosboden.
    Die Toten
zerrte er zwanzig Meter weiter in den Wald und bedeckte sie mit Zweigen. Dann
verwischte er alle Spuren, so gut es ging, griff sich die Gewehre und
überprüfte sie. Es waren jeweils die exakt

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