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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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abgehauen. Wir verstanden uns gut, auch weil wir über anderes reden konnten als Frauen und Fressen. Walter rezitierte gerne Gedichte, nicht den erhabenen Quatsch in den Zeitungen, am liebsten Heine. Kurt riss gerne Witze über die Waschlappen in der Umgebung des Kaisers. Und ich? Ich diente gerade Willem zwo, als der Krieg ausbrach. 1917 wurde ich eher zufällig Unteroffizier, weil drei Schotten bei einem unserer Gegenstöße mehr Angst vor mir hatten als ich vor ihnen. Ich wurde Führer einer Gruppe, zu der neben Kurt und Walter seit ein paar Tagen noch zwei Frischlinge gehörten, die nicht zählten. Sie würden ohnehin bald verrecken oder verrückt werden. Es wäre lebensgefährlich gewesen, sie mitzunehmen auf einen Spähtrupp. Ihre Angst hätte uns verraten. Nach dem Krieg war die Verbindung zu Kurt und Walter abgerissen.
    *
    Ich wachte auf, als mein Kopf an die Scheibe schlug. Wohlfeld fluchte über die schlechte Straße. Es war, als wollte es nie Tag werden. Das Wetter passte zum Grund unserer Reise. Je näher wir Weimar kamen, desto düsterer wurde meine Laune. Ich hatte die Nazis einmal gewählt, aus Wut über den Young-Plan, der bestimmte, dass Deutschland noch Reparationen zahlen sollte, wenn alle Kriegsteilnehmer längst unter der Erde vermoderten. Als die Wut verraucht war, schüttelte ich innerlich den Kopf über mich und wählte gar nicht mehr. Ich gebe zu, ich war neugierig auf Hitlers Leiche. Nicht weil ich ihm den Tod gewünscht hätte, aber man hat es ja nicht jeden Tag mit einem Messias zu tun.
    Die Absperrung sah ich schon von weitem. Schupos bewachten das Hotel Elephant. Wohlfeld parkte den Wagen in der Nähe des Eingangs. Ein Schupo kam und sagte: »Meine Herren, Sie dürfen hier nicht parken.«
    Ich hielt ihm meinen Dienstausweis unter die Nase, der Polizist salutierte. »Selbstverständlich, Herr Kommissar, ich wusste nicht . « Er ging voraus zur Hoteltür und riss sie auf. Im Flur stieß ich auf einen kleinen, dicken Mann mit kurzgeschorenen Haaren. Wulstige Lippen in einem fleischigen Gesicht, Schmiss auf der linken Wange. Er schaute mich feindselig an, musterte kurz meine Begleiter und wandte sich wieder an mich. »Sie sind also der Kollege aus der Hauptstadt«, sagte er.
    »Und wer sind Sie?«
    »Grüntner, Kommissar Grüntner. Ich leite die Ermittlungen.« Er schaute mich verächtlich an. »Sie können die Ermittlungsergebnisse mitnehmen nach Berlin, wenn Sie morgen wieder abreisen.«
    Ich reichte ihm die Hand, er übersah sie.
    »Sie sind umsonst hergekommen. Wir haben den Fall gelöst.«
    »Wir wissen noch nicht einmal, ob der Tote wirklich Herr Hitler ist«, erwiderte ich freundlich. Es war ein Friedensangebot.
    »Es ist der Führer«, sagte Grüntner genauso grantig wie zuvor. »Er wurde Opfer einer kommunistischen Verschwörung. Die Täter haben wir auch schon, ein Portier und ein Zimmermädchen. Wen wollen Sie zuerst sehen, das Opfer oder seine Mörder?«
    Ich schaute Rickmer an, der zog die Augenbrauen hoch. »Das Opfer«, sagte ich.
    Die Hotelsuite bestand aus zwei großen Räumen. Einer war das Schlafzimmer. Das erste, was ich sah, war das Blut auf dem Teppich und rote Fußspuren. Ich mühte mich, nicht in das Blut zu treten und näherte mich dem Körper auf dem Bett. Den Bart sah ich sofort. Ich erkannte auch die Haarlocke, die auf der Stirn hing. Oder dort, wo früher eine Stirn gewesen war. Jemand hatte Hitler das Gesicht zerschlagen. Es war eine blutige Masse, wo die Nase ragen sollte, klaffte ein Loch, mit Blutschorf krustig gefüllt. Ein Auge starrte an die Decke, das andere konnte ich nicht sehen. Die Beine hingen von der Bettkante auf den Boden. Der Oberkörper steckte in einem weißen Hemd mit Fliege, auf dem Hemd überall Blutflecken. Ein Teil stammte vom Gesicht, ein anderer wohl von Verletzungen an der Brust. Die Leichenbeschauer hatten viel Arbeit vor sich. Ich spürte keinen Ekel und kein Mitleid, nur Erstaunen. Ich hatte als Streifenpolizist übel zugerichtete Unfallopfer gesehen, als Soldat Menschenteile an Ästen unterscheiden gelernt, aber nie solchen Hass erlebt, wie er sich im Zustand des Toten in der Suite des Hotel Elephant in Weimar zeigte. Mich erschreckte nicht der Tod, sondern die Tat. Der oder die Täter mussten wie wahnsinnig auf Hitler eingeschlagen haben, auch als der schon lange tot war.
    Ich schaute mich um. Rickmer stand seitlich versetzt hinter mir und schaute blass aus. Er löste seinen Blick nicht von der Leiche, als beherrschte ihn ein

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