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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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mich an.
    »Außerdem hat man eine Waffe dabei, wenn man einen ermorden will. Man hofft nicht darauf, dass die Mordwaffe im Zimmer ist. Der Täter konnte nicht wissen, dass die Goethestatuette im Zimmer stand. Selbst wenn er es wusste, weil er vielleicht mal in der Suite übernachtet hat, konnte er nicht sicher sein, dass sie in dieser Nacht da war. Es zeigt sich des weiteren, dass eine Goethestatuette eine schlechte Waffe ist. Sie ist stumpf, und man muss kräftig zuschlagen, um das Opfer zu töten. Das Blut spritzt nach allen Seiten. Wohlfeld, sind die Kleidung und die Zimmer von Schmoll und Leutbold untersucht worden? Die müssen blutverschmiert sein, wenn sie die Täter sein sollten. Wenn die werten Kollegen das Hotel noch nicht auf den Kopf gestellt haben, dann sollten sie es jetzt tun, einschließlich Kohlenkeller und aller Abfalleimer.«
    Wohlfeld verschwand.
    »Wenn ich einen Mord begehen will, dann bringe ich also die Waffe mit und erledige die Sache leise und schnell. Hier ist das Gegenteil geschehen. Der Mörder war zornig, voller Hass. Irgend etwas hat ihn spontan handeln lassen. Hitler hat einen Mitarbeiter bei etwas erwischt.
    Oder: Ein Mitarbeiter erpresst ihn, Hitler stellt ihn zur Rede, es kommt zum Streit. Oder: Hitler ist sich mit einem politisch nicht einig, die kriegen sich in die Haare. Wir müssen herauskriegen, worüber die sich politisch streiten konnten.«
    »Da fiele mir schon einiges ein«, sagte Rickmer. Ich hatte den Eindruck, als folgte er meinen Überlegungen mit Spannung.
    »Und was?«
    »Na ja, der war sich mit dem Strasser nicht grün. Strasser wollte, dass die Nazis in die Regierung gehen, Hitler wollte das nur, wenn er Reichskanzler würde. Da gibt’s nicht zu wenige, die sagen, so kommen wir nie an die Macht, der Reichspräsident wird alles Mögliche tun, nur nicht Hitler zum Reichskanzler ernennen. Hindenburg findet Hitler abstoßend. Strasser sagte, wir müssen den Leuten zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen. Wir sind die stärkste Partei, gegen uns kann keiner mehr regieren. Wenn wir im Kabinett sitzen, können wir einiges aus unserem Programm durchsetzen und die Leute überzeugen, dass wir nicht als erstes Judenkinder fressen.«
    »Das heißt also, Strasser könnte ein Motiv haben.«
    »Das könnte doch eines sein«, sagte Rickmer. »Auch wenn es meinem Chef nicht passen würde. Er hält viel von Strasser. Und ich glaube auch nicht, dass Strasser damit was zu tun hat. Der ist nämlich intelligent und beherrscht. Außerdem hätte er seine Position vielleicht auch innerparteilich durchsetzen können, er hat einigen Anhang.«
    »Da Sie sich ja so gut auskennen, was ist mit Goebbels und Göring?«
    »Also, ich würde ja glauben, dass Goebbels Göring umbringt oder umgekehrt, aber beide waren treue Diener ihres Herrn, sie verdanken ihm alles. Die würden am eigenen Ast sägen. Für einen Mord an Hitler wären sie zu schlau. Wenn sie jemals einen knorke Posten kriegen, dann nur von Hitler, nicht von Strasser. Der kann die beiden nämlich nicht ausstehen. Wenn einer von den beiden also Strasser töten würde, das wäre plausibel. Alles andere ist Unsinn.« »Und wenn sie Strasser und Hitler politisch abservieren wollen?«
    »Das wäre eine Nummer zu groß für sie. Außerdem müssten sie sich untereinander einig sein.«
    »Vielleicht eine Eifersuchtsgeschichte, Herr Rickmer?«
    »Die letzte hat Hitler geklärt, indem er seinen Fahrer in die Wüste geschickt hat.«
    »Wie heißt der?«
    »Maurice, Emil Maurice.«
    »Dann werden wir uns den Herrn mal vorknöpfen.«
    »Sie halten es also für ausgeschlossen, dass der Nachtportier und das Zimmermädchen was damit zu tun haben?«
    »Ziemlich. Obwohl natürlich die tollsten Sachen passieren. Aber mir fällt kein Grund ein, warum sie das hätten tun sollen.«
    »Vielleicht hatte der Nachtportier mit dem Mädchen was, und Hitler wollte mit dem Mädchen anbändeln. Soll ja vorkommen.«
    Rickmer hatte recht. Es gibt die verrücktesten Sachen. Aber in der Kriminalistik kommen sie selten vor. Trotzdem, ich durfte diese Möglichkeit nicht außer acht lassen. Man stößt immer wieder auf neue Motive, und lebten wir nicht in einer verrückten Zeit?
    »Wir müssen ohnehin nach Erfurt, da werde ich die beiden mal fragen.«
    Wohlfeld erschien wieder. »Die haben alles durchsucht und nichts gefunden«, sagte er.
    Es wunderte mich nicht. Leutbold und Schmoll konnten einen Dreh gefunden haben, ihre Kleidung nach der Tat aus dem Hotel zu schaffen

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