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Der Countdown

Der Countdown

Titel: Der Countdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Mofina
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auf.
    “Wir müssen sie auf die Trage legen”, sagte der Arzt.
    Der Sand peitschte und prasselte gegen die Plane des Transporters, als der Arzt und die Amerikanerin die Frau versorgten, ihre Lebensfunktionen kontrollierten und ihr eine Infusion legten. Während der Untersuchung fand der Arzt Schnitte und Prellungen von ernsten Misshandlungen.
    Als sie die Fahrt wieder aufnahmen, wachte er hinten auf der Ladefläche über die Frau, die mit dem Wagen hin- und herschaukelte.
    Sie war halb bewusstlos, aber ihre Lebenszeichen waren stabil. Die ganze Zeit fragte sich der Arzt, um wen es sich bei dieser einsamen Überlebenden handelte.
    Sie war keine Stammesfrau. Sie wirkte deplatziert in dieser Gegend. Sie hatte weiche Haut, mandelförmige Augen. Sie war schön. Er überlegte, was sie erlebt haben mochte, und erwog verschiedene Gründe für ihre Anwesenheit. Als er ihr über die Stirn strich, bemerkte er eine ungewöhnliche Ausbuchtung in ihrer Kleidung.
    Er entdeckte eine versteckte Reißverschlusstasche, die an einem Saum eingenäht war. Er öffnete sie. Dokumente. Er studierte eingehend ihre persönlichen Daten.
    Samara Anne Ingram.
    Ihr Bild. Ein warmes Lächeln. Zwei Staatsbürgerschaften. Eine Irakerin aus Bagdad. Eine Britin. Eine ausgebildete Krankenschwester. Er fand Fotografien von einem Mann und einem kleinen Jungen. Ihr Mann und ihr Kind? Doch sie waren nicht unter den Toten gewesen.
    Warum war sie hier?
    Eine Helferin vielleicht?
    Dem Arzt kam eine Idee.
    “Ändere unseren Kurs”, schrie er nach vorne. “Wie müssen in den Jemen fahren!”
    “Jemen?”, rief der Brasilianer über das Dröhnen des Motors hinweg. “Warum?”
    “Ich kenne dort medizinisches Personal. Gut ausgebildet. Es ist besser, wir bringen sie dorthin. Sag es den anderen über Funk! Wir müssen den Kurs ändern! Dreh um!”
    “Aber die Grenzposten werden Schwierigkeiten machen.”
    “Das kann ich regeln.”
    “Du bist der Boss.”
    Nur wenige Menschen kannten die wahre Identität des Ägypters und seine Funktion als Anwerber für eines der tödlichsten Netzwerke weltweit. Der Doktor griff sich an die Taille, an seinen verborgenen Geldgürtel. Er war gefüllt mit Bargeld – Bestechungsgeld, das ihnen den Zutritt zum Jemen verschaffen würde, ohne dass jemand Fragen stellte.
    Und falls das fehlschlagen sollte, musste er den Wachen nur einen Namen ins Ohr flüstern, damit ihm alle Türen offen standen.
    Alle Türen.
    Er nahm weder das Gespräch über Funk wahr – der Italiener verfluchte wieder einmal das GPS – noch das Glucksen des Benzins in den Außentanks des Transporters, als die Fahrzeuge kehrtmachten und in Richtung Todeszone fuhren, wo Saudi-Arabien an den nördlichen Jemen grenzte.
    Der Ägypter nahm gar nichts mehr wahr.
    Denn er war nicht länger der Arzt, der für die Hilfsorganisation arbeitete. Nein, er erfüllte nun eine andere Pflicht – eine Aufgabe, von der die anderen nichts wussten.
    Niemand sah, wie er Samaras persönliche Dokumente in seinen Stiefel schob.
    Sein alter Freund würde erfreut sein.
    Er hatte einen neuen Kämpfer mit mächtigem Potenzial gefunden.
    Den perfekten Soldaten.

25. KAPITEL
    S chibam, Wadi Hadramaut, Jemen
    Ich bin tot.
    Samara lag in einem abgedunkelten Raum. Von ihrem Bett aus konnte sie zwei Gestalten erkennen, die sie beobachteten. Die beiden saßen auf Stühlen, und gegen die hellen Sonnenstrahlen, die durch die hölzernen Fensterläden drangen, konnte sie nur ihre Silhouetten ausmachen.
    Ist dies die nächste Stufe des Todes?
    Die Pein in der Gruft?
    Die alten Frauen hatten ihr die Geschichten erzählt – wie nach dem Tod eines Gläubigen und nach dem Abzug der Trauernden zwei Engel erscheinen und den Toten befragen würden, um über seinen Einzug ins Paradies zu entscheiden.
    “Wo bin ich?”
    “Bei Freunden, die dir helfen wollen.”
    “Mir helfen?”
    “In dein nächstes Leben.”
    Übelkeit erfasste sie, und sie erbrach sich in die Schale neben ihrem Bett.
    In ihrem Kopf hämmerte es. Sie war völlig desorientiert und von Beruhigungsmitteln wie benommen.
    Aber am Leben.
    Ihr Arm hing an einer Infusion, ihr Körper schmerzte, als Erinnerungsfetzen aufflackerten.
    Die Banditen, die das Lager überfielen.
    Sie hatte sich tagelang unter den Leichen versteckt. Wie die Körper zuckten, als die Geier sich über sie hermachten!
    Der Horror in Bagdad – grelle Lichtblitze, bebende Erde.
    Wie sie ihren Sohn im Arm trug.
    Als sie schließlich wieder bei sich war, bemerkte sie

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