Der Countdown
Übersee als ein anderer Mensch zurück. Das ist jetzt fünf Monate her, und niemand ist in der Lage, sie zu finden. Ich werde sie vielleicht nie wiedersehen.”
Stacys Handy klingelte. Sie sah aufs Display und klappte es zu.
“Ich muss los.”
“Was würden Sie an meiner Stelle tun?”, fragte Maggie. “Ich war bei der Polizei, einer Anwältin, einem Privatdetektiv. Alles vergeblich. Ich weiß nicht mehr, an wen ich mich noch wenden soll. Ich habe keine Familie, keine Freunde. Ich bin ganz allein. Sie waren meine einzige Hoffnung. Meine letzte Hoffnung.”
“Es tut mir wirklich leid. Ich bin sicher, dass sich die Dinge klären werden. Ich kann Ihre Verzweiflung nachvollziehen, aber ich muss jetzt wirklich gehen.” Und damit verschwand Stacy durch die Türen des
Star Journal
.
Maggie stand allein auf der Straße, das Flattern und Klirren am Fahnenmast klang wie ein Requiem zu ihrer Niederlage. Sie ging zurück zu ihrem Wagen. Im Rückspiegel blickte ihr eine Fremde entgegen. Sie betrachtete die Falten, die der Stress in ihr Gesicht gegraben hatte. Ihre Haare waren durcheinander. Sie hatte abgenommen und konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal gelächelt hatte.
Wie konnte es nur so weit kommen? Sie und Jake hatten sich doch geliebt. Sie hatten ein glückliches Leben geführt. Ein gutes Leben. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte, bis sie jemanden an die Scheibe klopfen hörte. Sie schaute auf und erblickte Stacy Kurtz.
Maggie ließ die Scheibe hinunter.
“Hören Sie.” Stacy blätterte in ihrem Notizbuch. “Es tut mir leid, dass das so enden muss.”
Maggie gewann ein wenig ihre Fassung zurück, während Stacy die Seiten durchging.
“Ich bin nicht sicher, ob Ihnen das hier weiterhelfen wird, aber man weiß nie.”
Stacy schrieb etwas auf eine leere Seite, die sie dann herausriss.
“Nur wenige Menschen wissen von dieser Frau. Sie will kein Geld, sie macht keine Werbung. Und als ich sie in der Zeitung vorstellen wollte, lehnte sie ab. Sie wünscht keine Öffentlichkeit.”
Maggie wischte sich die Tränen fort und musterte den Namen und die Telefonnummer auf dem Zettel.
“Wer ist diese Frau?”
“Ein befreundeter Detective schwört, dass diese Frau der Polizei von Los Angeles bei der Suche nach einem Mordverdächtigen nützlich war und dass sie auch dem FBI bei der Suche nach einem verschwundenen Teenager geholfen hat. Soweit ich weiß, war sie vor zehn Jahren auch an der Suche nach einem entführten Säugling in Europa beteiligt.”
“Ich verstehe nicht. Gehört sie zur Polizei?”
“Nein, sie hat das zweite Gesicht. Sie sieht und spürt … Dinge.”
“Also ist sie ein Medium?”
“So etwas in der Art. Entscheiden Sie selbst, ob Sie zu ihr gehen oder nicht. Ich muss mich entschuldigen, heute war ein schlimmer Tag in der Redaktion. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden. Alles Gute!.”
Lange nachdem Stacy bereits fort war, starrte Maggie noch immer auf den Namen, den ihr die Journalistin auf den Zettel geschrieben hatte.
“Madame Fatima.”
Sie umklammerte den Zettel mit ihrer Faust, als wäre er ein Rettungsanker.
4. KAPITEL
F aust’s Fork, in der Nähe von Banff, Alberta, Kanada
Graham umklammerte das Mädchen.
Wie lange schon? Eine halbe Stunde? Eine ganze? Er wusste es nicht.
Die Wucht des Wassers erschöpfte seine Kräfte, doch er ließ nicht los.
Wo ist der Hubschrauber? Sie müssen uns sehen. Kommt her!
Schreien war sinnlos. Die Strömung schlug auf ihn ein, der Schmerz zerriss ihn fast. Sein Körper wurde taub. Er drohte bewusstlos zu werden.
Er dachte an Nora, seine Frau. Ihre Augen. Ihr Lächeln.
Das gab ihm Kraft.
Der Fluss war gnadenlos, doch Graham weigerte sich, loszulassen. Seine Hände bluteten, doch er weigerte sich loszulassen. Stattdessen besann er sich auf all das, was er in der Ausbildungsakademie in Regina gelernt hatte.
Gib niemals auf, gib dich niemals geschlagen, kapituliere niemals.
Er hielt durch, bis er das rhythmische Hämmern über sich hörte.
Ein Hubschrauber.
Alles um ihn herum verschwamm in dem Wirbel, den die Rotorblätter auslösten: Ein Rettungssanitäter wurde über eine Winde in einem Korb abgeseilt. Graham half dabei, das Mädchen in den Korb zu befördern, und sah zu, wie sie in den Hubschrauber gezogen wurde. Dann kam der Retter wieder zu ihm herunter, schnallte ihm ein Geschirr um, und der Hubschrauber flog los. Die Berge kreisten um ihn, während sie über das Wasser zu einer Wiese
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