Der Countdown
neben sich, die einen Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt hielt.
“Nein, das ist völlig falsch”, sagte die Frau ins Telefon, während sie gleichzeitig tippte, und blickte dann zu Maggie am Empfangstresen. Sie hob kurz den Zeigefinger, bevor sie sich wieder dem Telefongespräch widmete. “Nein, dies entspricht ganz und gar nicht dem, was mir Ihr Pressesprecher am Tatort sagte. Gut. Richten Sie Detective Wychesski aus, er möchte mich auf dem Handy anrufen. Das ist richtig. Stacy Kurtz vom Star Journal. Wenn er sich nicht meldet, nehme ich sein Schweigen als Bestätigung.”
Stacy Kurtz, die wenig Ähnlichkeit mit ihrem Porträt hatte, tippte noch kurz etwas in ihre Tastatur und ging dann zum Empfangstresen.
“Stacy, dies ist Maggie Conlin”, sagte die dicke Frau. “Sie hat keinen Termin, aber sie möchte mit dir sprechen.”
Stacy Kurtz streckte ihre Hand aus. “Tut mir leid, Ihr Name kommt mir bekannt vor, aber ich kann ihn gerade nicht unterbringen.”
“Mein Mann ist vor einigen Monaten mit meinem Sohn verschwunden.”
“Richtig. Ein merkwürdiger Fall von Kindesentziehung durch einen Elternteil, nicht wahr? Gibt es eine neue Entwicklung?”
“Nein. Mein Mann …” Maggie knetete die Henkel ihrer Handtasche. “Könnten wir unter vier Augen miteinander sprechen?”
Stacy taxierte Maggie, als wolle sie abschätzen, ob sie ihre Zeit wert war. Sie drehte sich zu dem Glaskasten um, wo der glatzköpfige Mann noch immer mit dem Jüngeren stritt. Sie biss sich auf die Unterlippe.
“Ich muss nur kurz mit Ihnen sprechen”, sagte Maggie. “Bitte.”
“Ich gebe Ihnen zwanzig Minuten.”
“Danke.”
“Della, sag Perry, dass ich draußen einen Kaffee trinken gegangen bin.”
“Hast du dein Handy?”
“Ja.”
“Ist es eingeschaltet?”
“Ja-ah.”
“Aufgeladen?”
“Bis später, Della.”
Wenig später saß Stacy Kurtz einen halben Block weiter auf einer Parkbank, nippte an ihrem Milchkaffee und klopfte sich mit einem Notizbuch auf den Oberschenkel. Während Maggie ihr ihre Angst offenbarte, kreischten über ihnen die Möwen.
“Dann gibt es also wirklich nichts Neues, Maggie, oder? Ich meine, seitdem das Ganze überhaupt geschah?”
“Nein, aber ich hoffte, dass Sie jetzt, nach all der Zeit, eine Geschichte darüber machen würden.”
“Das glaube ich nicht, Maggie.”
“Bitte. Sie könnten ihre Bilder veröffentlichen und sie an die Agenturen geben, sodass sie überall …”
“Maggie, es tut mir leid, aber wir werden keine Geschichte daraus machen können.”
“Ich flehe Sie an. Bitte. Sie sind meine letzte Hoffnung.”
Die ersten Takte von “Sweet Home Alabama” erklangen in Stacys Tasche, und sie holte ihr Handy heraus. “Entschuldigung. Ich muss rangehen. Hallo”, meldete sie sich. “Okay. Ich bin auf dem Weg und in zwei Minuten dort.”
“Aber Sie machen doch eine Geschichte? Bitte!” Maggie hielt Stacy einen Umschlag hin, während sie in Richtung Zeitungsgebäude eilten.
“Was ist das?”
“Bilder von Logan und Jake.”
“Verstehen Sie doch”, Stacy schob den Umschlag zurück, “es tut mir leid, aber ich habe Ihnen nie eine Geschichte versprochen.”
“Sprechen Sie mit Ihrem Chefredakteur.”
“Das habe ich, und um ehrlich zu sein, ist dies zu diesem Zeitpunkt keine Story für uns.”
“
Zu diesem Zeitpunkt
? Was soll das heißen? Dass mein Sohn erst dann einen Nachrichtenwert für Sie hat, wenn ihm etwas Schreckliches zugestoßen ist? Wenn er verletzt ist oder tot?”
Stacy hielt abrupt inne.
Sie hatten den
Star Journal
erreicht. Sie warf ihren noch dreiviertelvollen Becher in den Mülleimer und starrte erst Maggie an, dann auf den vorbeiziehenden Verkehr. Jeden Tag mit verzweifelten Menschen zu sprechen war nie leicht, doch nach Stacys Erfahrung war es am besten, aufrichtig zu sein, auch wenn es schmerzte.
“Maggie, ich sprach mit Detectiv Vic Thompson. Er erwähnte etwas von einem Vorfall zwischen Ihrem Mann und einem Fußballtrainer. Und dass es dabei um Eheprobleme ging. Eine häusliche Angelegenheit also.”
“Ein Fußballtrainer? Nein, das ist nicht wahr.”
“Es tut mir leid.”
Die Gebäude, der Verkehr, der Bürgersteig, alles schien sich plötzlich zu drehen. Maggie fand ihr Gleichgewicht wieder, indem sie sich am Briefkasten des
Star Journal
abstützte. Im vergeblichen Versuch ihre Tränen wegzublinzeln, hob sie ihr Gesicht zum Himmel.
“Mein Sohn ist alles, was ich auf der Welt habe. Mein Mann kam von
Weitere Kostenlose Bücher