Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Vorbereitungen zur Beseitigung etwaiger Hindernisse treffen zu können. Fast hätte er einen Eingeborenen aus Kasan um weitere Einzelheiten gefragt, als seine Aufmerksamkeit plötzlich abgelenkt wurde.
    Unter den Reisenden, welche den »Kaukasus« verließen, erkannte Michael Strogoff jene Tsigauen, die gestern noch auf der Messe in Nishny-Nowgorod figurirten. Auf dem Verdecke standen der alte Zigeuner und das Weib, die ihn einen Spion genannt hatte. Mit ihnen, und jedenfalls unter ihrer Führung, schifften sich etwa zwanzig Tänzerinnen und Sängerinnen im Alter von fünfzehn bis zwanzig Jahren aus, deren elende Lumpen nur nothdürftig den Flitterstaat darunter verhüllten.
    Diese glitzernden Stoffe, auf welche eben die Strahlen der Sonne fielen, erinnerten Michael Strogoff lebhaft an den Eindruck der vergangenen Nacht. Es war der nämliche Zigeunerputz, der im Dunklen aufblitzte, wenn aus dem Rauchfang des Steamers einige Flammen emporlohten.
    »Offenbar, so sagte er sich, hielt sich dieser Tsiganentrupp tagsüber unter dem Verdeck auf und wollte sich während der Nacht unter dem Vordercastell verkriechen. Hielten die Leute es für gut, möglichst wenig gesehen zu werden? Das ist aber doch sonst ihre Art nicht!«
    Michael Strogoff schwand nun jeder Zweifel, daß der ihn besonders angehende Redesatz von dieser dunklen Gruppe hergerührt habe, die nur dann und wann ein Glitzern und Funkeln verrieth, und daß jene Worte zwischen dem alten Tsigauen und dem Weibe, das er Sangarre nannte, gewechselt worden seien.
    Wider Willen näherte sich Michael Strogoff der Austrittsstelle des Steamers, gerade als die Zigeunertruppe diesen verließ, um nicht wiederzukehren.
    Dort stand der Alte in sehr demüthiger, mit der natürlichen Unverschämtheit seiner Stammesgenossen wenig übereinstimmender Haltung. Er sah aus, als meide er es möglichst gesehen zu werden, statt die Blicke Anderer auf sich zu lenken. Sein schäbiger, von der Sonne des ganzen Erdballs verbrannter Hut saß tief in dem runzeligen Gesicht. Ueber seinem breiten Rücken bauschte sich trotz der Wärme der Sonne ein weiter Kittel. Es wäre schwierig gewesen, unter dieser erbärmlichen Hülle seine Figur deutlich zu erkennen.
     

    Die Zigeunertruppe verließ den Steamer. (S. 87.)
     
    Neben ihm stand die Tsiganerin Sangarre, eine große Frau von dreißig Jahren, mit braunem Teint, guter Constitution, prächtigen Augen und üppigem Haar in stolzer Haltung.
    Einige der jungen Tänzerinnen waren von auffallender Schönheit, und Alle zeigten die ausgesprochenen Merkmale ihrer Race. Die Tsiganenfrauen sind im Allgemeinen anziehend und mehr als einer der russischen Großen, welche mit den Engländern gern an Excentrität wetteifern, hat sich nicht entblödet, ein Weib aus diesem Stamme zu wählen.
    Eine von Jenen sang ein Liedchen von eigenthümlichem Rhythmus vor sich hin, dessen erste Verse man etwa so übersetzen könnte:
     
    Am braunen Hals die Koralle blinkt,
    Die goldene Nadel im Haar;
    Ich ziehe, wo immer das Glück mir winkt,
    Zum Lande der ….
     
    Die lustige Dirne sang gewiß weiter, doch Michael Strogoff hörte sie nicht mehr.
    Es schien, als ob der durchdringende Blick Sangarre’s mit besonderer Aufmerksamkeit auf ihm haste, und als wollte die Zigeunerin seine Züge ihrem Gedächtniß unauslöschlich einprägen.
    Einige Minuten später verließ dann auch Sangarre den »Kaukasus«, als der Alte mit seiner Truppe schon am Lande war.
     

    Sollte Alcide Jolivet die Abfahrt versäumen? (S. 91.)
     
    »Die reine Zigeunerfrechheit! murmelte Michael Strogoff. Sollte sie mich als Denselben wieder erkannt haben, den sie in Nishny-Nowgorod mit ›Spion‹ titulirte? Diese verdammten Tsigauen haben Katzenaugen! Sie sehen auch deutlich in der Nacht, und Diese könnte wohl wissen …«
    Michael Strogoff war auf dem Punkte, Sangarre und der Gesellschaft zu folgen, aber er bezwang sich noch.
    »Nein, nein, dachte er, keinen unüberlegten Schritt! Lasse ich den alten Wahrsager und seine Bande festnehmen, so laufe ich Gefahr, mein Incognito aufgeben zu müssen. Sie sind ja fort, und bevor sie über die Grenze gelangen können, werde ich schon weit über den Ural hinaus sein. Ich weiß wohl, daß sie den Weg von Kasan nach Tschim einschlagen können, aber dieser bietet keinerlei Beförderungsmittel, und ein Tarantaß mit tüchtigen sibirischen Rossen kommt einem Zigeunerwagen allemal zuvor. Also ruhig, bleib ruhig, Freund Korpanoff!«
    Jetzt waren der alte Tsigane und

Weitere Kostenlose Bücher