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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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innerlich einen Auftritt, den sie gern vermieden gesehen hätte.
    »Genug der Worte!« versetzte der fremde Reisende.
    Dann wandte er sich an den Postmeister:
    »Sie lassen jenen Tarantaß wieder abschirren, rief er und bekräftigte seinen Befehl durch eine drohende Geberde; die Pferde werden sofort vor meine Berline gespannt.«
    In seiner Verlegenheit wußte der Postmeister jetzt nicht, wem er gehorchen sollte, und sah Michael Strogoff an, dessen Sache es doch war, den unberechtigten Anforderungen des Fremden entgegenzutreten.
    Michael Strogoff zauderte einen Augenblick. Er wollte sich der Hilfe seines Podaroshna, der die Aufmerksamkeit Aller auf ihn lenken mußte, nicht bedienen, er wollte aber ebenso wenig durch Ueberlassung der Pferde seine Reise verzögern, und außerdem lag es ihm am Herzen, keinen zwecklosen Streit zu provociren, der die Ausführung seiner Mission hätte in Frage stellen können.
    Die beiden Journalisten hielten die Blicke auf ihn gerichtet, offenbar bereit, ihm beizustehen, wenn er ihre Unterstützung anrufen sollte.
    »Meine Pferde werden an meinem Wagen bleiben«, sagte Michael Strogoff, aber ohne den Ton dabei mehr zu erheben, als es für einen einfachen sibirischen Kaufmann passend erschien.
    Der Fremdling schritt auf Michael Strogoff zu und sprach, indem er seine Hand derb auf dessen Schulter fallen ließ. »Also so steht es! Du weigerst Dich, mir Deine Pferde abzutreten?
    – Gewiß, antwortete Michael Strogoff.
    – Nun gut, so werden sie dem gehören, der nachher noch im Stande ist, weiter zu reisen! Vertheidige Dich – ich schone Dich nicht!«
    Bei diesen Worten riß der Fremde hastig seinen Pallasch aus der Scheide und legte sich zum Fechten aus.
    Nadia stürzte sich zwischen ihn und Michael Strogoff.
    Harry Blount und Alcide Jolivet traten an seine Seite.
    »Ich werde mich nicht schlagen, antwortete Michael Strogoff gelassen, und kreuzte, wie um sich sicherer zu bezwingen, die Arme vor der Brust.
    – Du wirst Dich nicht schlagen?
    – Nein.
    – Auch hiernach nicht?« schrie der Reisende.
    Und bevor man ihn zurückhalten konnte, traf der Griff seiner Hetzpeitsche Michael Strogoff’s Schulter.
    Bei dieser frechen Beleidigung schwand jeder Tropfen Blut aus den Wangen des jungen Mannes. Seine Hände hoben sich krampfhaft, als wollten sie den rohen Gegner zermalmen. Nur mit äußerster Anstrengung blieb er seiner mächtig. Ein Duell, – das war mehr, als eine Verzögerung, das konnte ihn seine Mission gänzlich verfehlen lassen! … Es schien ihm besser, einige Stunden zu opfern! … Gut, aber diesen Insult sollte er still verwinden!
    »Nein! antwortete Michael Strogoff auf jene Herausforderung, ohne den Raufbold eines weiteren Wortes zu würdigen, während er dem Fremden aber fest in’s Auge sah.
    – Die Pferde für mich! Und augenblicklich!« herrschte Jener.
    Er verließ mit diesen Worten das Zimmer.
    Der Postmeister folgte ihm sofort, zuckte aber verwundert mit den Schultern und warf Michael Strogoff einen keineswegs zustimmenden Blick zu.
    Die Wirkung, welche dieser Zwischenfall auf die beiden Journalisten hervorbrachte, konnte Michael Strogoff nicht besonders günstig sein. Sie erschienen sichtlich enttäuscht. Dieser kraftstrotzende junge Mann ließ sich schlagen und forderte auch für eine solche rohe Beleidigung keine Genugthuung! Sie grüßten zum Abschied etwas verlegen und zogen sich zurück, wobei Alcide Jolivet zu Harry Blount sagte:
    »Das hätte ich nimmermehr geglaubt von einem Manne, der die Bären des Ural so im Handumdrehen aufschlitzt! Sollte es doch wahr sein, daß der Muth seine Stunden und seine gewissen Formen hat? Die Sache ist mir unverständlich. Uns Anderen könnte hier vielleicht nur das Eine abgehen, daß wir niemals Leibeigene gewesen sind.«
    Kurze Zeit darauf verrieth das Rollen von Rädern und das Knallen einer Peitsche, daß die mit den Pferden des Tarantaß bespannte Berline das Posthaus verließ.
    Nadia blieb gelassen, Michael Strogoff noch leise vor Aufregung zitternd in dem Wartesaale des Relais zurück.
    Der Courier des Czar hatte sich mit noch immer untergeschlagenen Armen niedergesetzt. Er unterschied sich kaum von einer Bildsäule. Nur hatte eine tiefe Röthe, welche einer Schamröthe dennoch nicht ähnlich sah, die frühere Blässe seines Gesichtes verdrängt.
    Für Nadia lag es außer allem Zweifel, daß nur die gewichtigsten Gründe einen solchen Mann veranlassen konnten, einen derartigen Bubenstreich ungestraft hingehen zu

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