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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hast seit dem Anfange des Tartareneinfalles von Deiner Mutter keine Nachricht erhalten? fragte sie.
    – Nein, Nadia. Der letzte Brief meiner Mutter datirt schon von vor zwei Monaten, dieser enthielt jedoch nur günstige Nachrichten. Marfa ist eine energische Frau, eine Sibirierin mit offenem Auge. Trotz ihres Alters bewahrte sie bis jetzt noch ihre ganze moralische Energie. Sie weiß sich auch in mißliche Umstände zu schicken.
     

    »Geh’ Deines Weges, guter Freund! – Geh’, ich könnte Dich umbringen!« (S. 150.)
     
    – Ich werde sie besuchen, Bruder, versetzte lebhaft das junge Mädchen. Da Du mir den Namen Schwester gegeben hast, bin ich auch Marfa’s Tochter!«
    Michael Strogoff antwortete nicht sofort.
    »Vielleicht hat Deine Mutter Omsk schon verlassen können? fügte sie hinzu.
    – Das ist wohl möglich, Nadia, erwiderte Michael Strogoff, und ich hoffe sogar, daß es ihr schon gelungen ist, in Tobolsk Zuflucht zu suchen. Die alte Marfa ist von Haß gegen die Tartaren erfüllt. Sie kennt die Steppe, sie hat keine Furcht, und ich wünschte, sie hätte ihren Stab ergriffen und wäre längs des Irtysch nach Norden gewandert. In der Provinz giebt es keinen Ort, der ihr unbekannt wäre. Wie oft hat sie das ganze Land an der Seite meines alten Vaters durchzogen, und wie oft bin ich, selbst noch als Kind, bei ihnen gewesen auf diesen Jagdzügen durch die sibirische Wüstenei! Gewiß, Nadia, ich hoffe, meine Mutter wird Omsk glücklich verlassen haben.
    – Und wann denkst Du sie wieder zu sehen?
    – Jedenfalls … auf der Rückreise.
    – Wenn Deine Mutter aber noch in Omsk wäre, wirst Du ein Stündchen opfern, sie zu umarmen.
    – Ich werde nicht erst zu ihr gehen.
    – Du willst sie nicht einen Augenblick sehen?
    – Nein, Nadia …! entgegnete Michael Strogoff, dessen Brust sich mühsam hob und der wohl einsah, daß er die Fragen des jungen Mädchens noch weiter zu beantworten nicht im Stande sei.
    – Du sagst’ Nein! Ach, Bruder, welche Ursachen könnten Dich, wenn Deine Mutter in Omsk ist, hindern, sie zu sehen und zu besuchen?
    – Welche Ursachen, Nadia? Du fragst mich nach den Gründen meiner Handlungsweise! rief Michael Strogoff mit einer so auffallend veränderten Stimme, daß das junge Mädchen fast dabei erzitterte. Aber wegen der Ursachen, die mich meinen Zorn überwinden ließen gegenüber jenem Elenden, dessen ….«
    Er konnte den Satz nicht vollenden, die Zunge versagte ihren Dienst.
    »Beruhige Dich, mein Bruder, redete ihn Nadia mit sanftester Stimme zu. Ich weiß nur Eines, oder vielmehr ich weiß es nicht, aber ich fühle es, daß jetzt nur ein Gefühl Dich ganz und gar beherrscht, das Gefühl einer noch heiligeren Pflicht, als die, welche den Sohn gegen die Mutter bindet!«
    Nadia schwieg und vermied auch von diesem Augenblicke ab jedes Gespräch, welches zu der gegenwärtigen eigenthümlichen Lage Michael Strogoff’s irgend Bezug haben konnte. Hier lag ein Geheimniß, gewiß ein wichtiges, vor. Sie achtete es aufrichtig.
    Am anderen Tage, dem 25. Juli, langte der Tarantaß um drei Uhr Früh bei dem Postrelais zu Tjukalinsk an, nachdem er von der Ueberfahrtsstelle am Ischim gegen 120 Werst zurückgelegt hatte.
    Schnell wurden die Pferde gewechselt. Indeß erhob hier zum ersten Male der Jemschik Einspruch gegen die Weiterfahrt mit dem Bemerken, daß Tartarenabtheilungen durch die Steppe streiften und daß Reisende, Pferde und Wagen für jenes Raubgesindel eine erwünschte Beute sein würden.
    Michael Strogoff besiegte den Widerwillen des Jemschiks nur mit klingender Münze, denn in diesem wie in mehreren anderen Fällen wollte er von seinem Podaroshna keinen Gebrauch machen. Der letzte, durch den Telegraphen übermittelte Ukas war in den sibirischen Provinzen bekannt, und auf einen Russen lenkte sich dadurch, daß er von der Befolgung der in jenem enthaltenen Vorschriften speciell dispensirt war, schon die allgemeine Aufmerksamkeit, die der Courier des Czar doch vor Allem zu vermeiden suchte. Sollten die ausgesprochenen Befürchtungen des Jemschiks vielleicht nur daher rühren, daß der Schlaukopf seine Rechnung auf die Ungeduld des Reisenden gründete? Oder war in der That jetzt ein unliebsames Abenteuer zu befürchten?
    Endlich fuhr der Tarantaß ab und bewegte sich mit einer solchen Schnelligkeit weiter, daß er um drei Uhr Nachmittags Kulatsinskoë, in einer Entfernung von 80 Werst, glücklich erreichte. Eine Stunde später befand er sich an dem Ufer des Irtysch. Omsk lag von

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