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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eine gewisse Anhänglichkeit seinem Pferde gegenüber, auch dieses schien sich allgemach an die Strapazen einer solchen Parforce-Reise zu gewöhnen, und wenn ihm nur je einige Stunden Ruhe gegönnt wurden, konnte sein Reiter wohl hoffen, bis über die überfallenen Provinzen hinaus zu gelangen.
    Während dieses Abends und der Nacht vom 2. zum 3. August verhielt sich Michael Strogoff also in seinem Gasthause am Eingange des Städtchens, einem wenig besuchten Gasthause ohne zudringliche und neugierige Gäste.
    Von Ermüdung übermannt, legte er sich zwar bald, aber doch nicht eher nieder, als bis er wußte, daß es seinem Pferde an nichts fehle; trotzdem vermochte er nur einen häufig unterbrochenen Schlummer zu finden. Zu viele Erinnerungen, zu viele Sorgen für die Zukunft regten sich in ihm. Die Bilder seiner betagten Mutter und seiner schutzlos verlassenen, muthigen, jungen Gefährtin zogen abwechselnd vor seinem Geiste auf oder verschmolzen in ihm wohl auch zu einem einzigen sorgenden Gedanken.
    Dann erinnerte er sich wieder seiner Sendung, an deren Ausführung ein Eid ihn band. Was er seit seinem Aufbruche von Moskau selbst gesehen, ließ ihn immer mehr die Wichtigkeit derselben erkennen. Fielen dann seine Blicke einmal auf den mit dem kaiserlichen Siegel verschlossenen Brief, diesen Brief, der ohne Zweifel das Heilmittel gegen so zahllose Uebel des von einem wilden, blutigen Kriege zerrissenen Landes enthielt, – dann bemächtigte sich Michael Strogoff’s fast unbesiegbares Verlangen, sofort wieder durch die Steppe weiter zu jagen, mit der Hast eines Vogels die Strecke zu überfliegen die ihn noch von Irkutsk trennte, ein Adler zu sein, um alle Hindernisse überwinden zu können, ein Orkan, um mit der Schnelligkeit von hundert Werft die Stunde über der Erde dahin zu rasen und endlich vor den Großfürsten zu treten und ihm zuzurufen: »Kaiserliche Hoheit, von Seiner Majestät dem Czaren!«
    Am anderen Morgen um sechs Uhr Früh ritt Michael Strogoff wieder mit der Absicht weiter, an diesem Tage die 84 Werft (= 89 Kilometer) von Kamsk bis Ubinsk zurückzulegen. Jenseit eines Kreises von etwa 20 Werft fand er ganz die sumpfige Barabinen-Steppe wieder, welche hier kein Ableitungsgraben mehr trocken legte, so daß der Erdboden manchmal einen Fuß hoch unter Wasser stand. Dann war die Straße nur schwierig zu erkennen, aber er legte diesen Wegtheil, Dank seiner umsichtigen Aufmerksamkeit, doch ohne Unfall zurück.
    In Ubinsk angelangt, ließ Michael Strogoff sein Pferd die ganze Nacht über rasten, denn er wollte am folgenden Tage die 100 Werst betragende Entfernung zwischen Ubinsk und Ikulskoë durchmessen. Er brach also mit der Morgenröthe auf, aber leider gestaltete sich die Straße durch diesen Theil der Barabinen-Steppe immer unwegsamer.
    Zwischen Ubinsk und Kamakowa hatten sich nämlich die reichlichen Regenniederschläge der letztvergangenen Wochen wie in einer undurchlässigen Schüssel in der verhältnißmäßig engen Bodensenkung angesammelt. Das unentwirrbare Netz von Sümpfen, Teichen und Seen hing fast ohne Unterbrechung zusammen. Einen dieser Seen, – übrigens einer von solcher Größe, daß er in der geographischen Nomenclatur wohl einen Platz verdient hatte, – den Tschang (ein von den Chinesen ihm beigelegter Name), mußte Michael Strogoff auf einer Strecke von 20 Werst längs seines Ufers unter den größten Schwierigkeiten umreiten, was nothwendiger Weise einige Verzögerungen veranlaßte, die er trotz seiner Ungeduld doch nicht zu vermeiden vermochte. Er sah recht deutlich ein, wie gut er daran gethan, sich in Kamsk nicht einen Wagen zu nehmen, denn sein Pferd kam hier unter Verhältnissen noch vorwärts, die jeden Wagen unbedingt aufgehalten hätten.
    Abends gegen neun Uhr in Ikulskoë angekommen, verweilte Michael Strogoff daselbst die ganze Nacht. In diesem in der Barabinen-Steppe verlorenen Flecken fehlten die Nachrichten vom Kriegsschauplatze natürlich gänzlich. Dieser Theil der Provinz war durch seine natürliche Lage, mitten in der Gabel, welche die tartarischen Heerestheile durch ihr verschiedenseitiges Abschwenken einerseits nach Omsk, andererseits nach Tomsk zu, bildeten, von dem Schrecken des Einfalls noch gänzlich verschont geblieben.
    Bald mußten sich nun auch die natürlichen Schwierigkeiten des Weges vermindern, denn im Fall er keine Verzögerung erlitt, hoffte Michael Strogoff am nächsten Tage über die Barabinen-Steppe hinauszukommen. Später bot sich ihm wieder ein

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