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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Entschluß auszuführen.
    Die Rast konnte unmöglich lange währen, und dem Pendja-Baschi durfte es kaum beikommen, seinen Leuten mehr als eine Stunde Ruhe zu gönnen, obwohl ihre seit dem Aufbruche aus Omsk sicherlich nicht gegen frische verwechselten Pferde gewiß in demselben Maße und aus denselben Gründen erschöpft sein mußten, wie das Reitpferd Michael Strogoff’s.
    Er hatte also keinen Augenblick zu verlieren. Es war jetzt um ein Uhr Morgens. Er mußte sich die Dunkelheit, welche bald der Morgenröthe zu weichen drohte, zu Nutze machen, um das kleine Gehölz wieder zu verlassen und die Straße zu gewinnen; doch trotz der Begünstigung durch die dunkle Nacht erschien der Erfolg einer solchen Flucht doch im höchsten Grade unsicher.
    Um Nichts vom blinden Zufall abhängig zu machen, nahm sich Michael Strogoff Zeit zu überlegen und erwog sorgsam die Aussichten für und wider, um einen Entschluß zu fassen, der ihm noch die besten bot.
    Aus den örtlichen Verhältnissen ergab sich Folgendes: An der der Straße entgegengesetzten Seite des Gehölzes vermochte er nicht zu entweichen, denn um die Bogenlinie der Lärchenbäume, deren Sehne eben die Landstraße darstellte, lief jener nicht nur tiefe, sondern auch breite und schlammige Wasserarm. Große Stechglustern machten ein Passiren desselben fast zur Unmöglichkeit. Unter der schäumenden Wasserfläche befand sich offenbar eine steile Vertiefung, in der der Fuß keinen Stützpunkt finden würde. Außerdem erschien das Land jenseit des Wasserlaufes mit seinen zerstreuten Gebüschen für eine eilige Flucht auch mehr als ungeeignet. Erweckte er einmal die Aufmerksamkeit, so wurde Michael Strogoff gewiß mit Aufwendung aller Mittel und Kräfte verfolgt, eingeschlossen und zuletzt von den tartarischen Reitern gefangen.
    Es gab für ihn also nur einen einzigen benutzbaren Weg, einen einzigen, die große Landstraße. Diese zu erreichen, indem er am Rande des Hölzchens hinschlich, und ohne die Aufmerksamkeit seiner Feinde zu erwecken, wenigstens eine Viertelwerst Vorsprung zu gewinnen, den letzten Rest der Kraft und Schnelligkeit seines Pferdes zu benutzen, und sollte es am Ufer des Obi auch todt zusammenbrechen, diesen bedeutenden Strom mittels eines Bootes zu überfahren, oder wenn es an jederlei Transportmittel mangeln sollte, zu durchschwimmen, – das war es, was Michael Strogoff versuchen und wagen mußte.
    Seine Thatkraft, sein Muth verzehnfachte sich im Angesicht der Gefahr. Es handelte sich um sein Leben, um seinen Auftrag, um die Ehre seines Landes, vielleicht um das Wohl seiner Mutter. Er konnte nicht zögern, er ging an’s Werk.
    Er hatte nun keinen Augenblick mehr zu verlieren. Schon entstand wieder einige Bewegung unter den Mannschaften der Abtheilung. Einige Reiter gingen auf der Straße, an dem Saume des Wäldchens hin und her. Die Anderen lagen noch am Fuße der Bäume ausgestreckt, aber ihre Pferde fanden sich nach und nach wieder zusammen.
    Erst kam Michael Strogoff der Gedanke, sich eines dieser Pferde zu bemächtigen, aber er sagte sich doch, daß diese nicht minder erschöpft sein müßten, als das seinige. Es schien ihm also gerathener, sich dem Thiere anzuvertrauen, dessen er sicher war und das ihm bis hierher so vortreffliche Dienste geleistet hatte. Das muthige Thier entging, verdeckt von hohem Haidekraute, glücklich den Blicken der Tartaren. Diese selbst drangen ja auch gar nicht in die Tiefe des Hölzchens ein.
    Auf dem Boden hinkriechend, näherte sich Michael Strogoff seinem Pferde, das sich gelagert hatte. Er streichelte es mit der Hand, sprach ihm leise freundlich zu und brachte es geräuschlos wieder auf die Füße.
    Eben jetzt verlöschten zu Michael Strogoff’s Glück die völlig niedergebrannten Fackeln, und es herrschte, mindestens unter den Gipfeln der Lärchenbäume, die dichteste Finsterniß.
    Nachdem Michael Strogoff das Gebiß wieder eingelegt, den Sattelgurt festgeschnallt und die Riemen der Steigbügel geprüft hatte, begann er sein Pferd langsam am Zügel fortzuziehen. Uebrigens folgte das intelligente Thier, so, als verstände es, was man von ihm wolle, willig seinem Herrn, ohne nur ein einziges Mal zu wiehern.
    Dennoch hoben einige usbeckische Pferde neugierig die Köpfe und wandten sich dem Rande des Gehölzes zu.
    In der rechten Hand hielt Michael Strogoff seinen Revolver, bereit, dem ersten tartarischen Reiter, der sich nähern würde, den Kopf zu zerschmettern. Glücklicher Weise hörte er aber keinen Weckruf und

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