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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Publicum seine Dienste in Anspruch nehme.
    Michael Strogoff rannte auf ihn zu und fragte mit vor Erschöpfung gebrochener Stimme:
    »Was wissen Sie Neues?
    – Ei nichts, erwiderte der Beamte lächelnd.
    – Es sind doch Russen und Tartaren handgemein geworden?
    – Man sagt es.
    – Aber wer ist Sieger?
    – Das weiß ich selbst nicht.«
    So viel Gemüthlichkeit unter so schrecklichen Verhältnissen, so viel Indifferenz erschien doch kaum glaublich. »Und der Draht ist noch nicht zerschnitten? fragte Michael Strogoff.
    – Zwischen Kolywan und Krasnojarsk ist die Leitung zerstört, sie functionirt aber noch zwischen Kolywan und der russischen Grenze.
    – Für die Regierung?
    – Für die Regierung, wenn sie es für nöthig erachtet, für das Publicum, wenn dasselbe zahlt. Das Wort kostet zehn Kopeken. Wenn es Ihnen beliebt, mein Herr?«
    Michael Strogoff wollte eben diesem Beamten ohne Gleichen antworten daß er keine Depesche abzusenden habe, sondern nur gekommen sei, um etwas Brod und Wasser zu erbitten, als die Thür des Hauses wieder hastig aufgerissen wurde.
    Michael Strogoff bereitete sich schon, in dem Glauben, das Haus sei von Tartaren überfallen, zu einem Sprunge durch das Fenster als er noch sah, daß nur zwei einzelne Männer in den Raum eintraten, die tartarischen Soldaten nicht im Geringsten ähnelten.
    Mit einem leicht erklärlichen Erstaunen erkannte Michael Strogoff in diesen zwei Männern zwei Persönlichkeiten wieder, an die er jetzt nicht im Entferntesten dachte und die er überhaupt niemals wieder zu sehen geglaubt hatte.
    Es waren die beiden Berichterstatter Harry Blount und Alcide Jolivet, jetzt keine Reisegefährten mehr, sondern Rivalen, ja Feinde, seitdem sie ihre Thätigkeit auf dem Kriegsschauplatze begannen.
    Ischim verließen sie seiner Zeit nur wenige Stunden nach Michael Strogoff’s Weiterreise, und wenn sie auf derselben Straße Kolywan vor ihm erreichten, ja, ihn selbst unterwegs überholten, so kam das daher, daß Michael Strogoff am Ufer des Irtysch drei Tage eingebüßt hatte.
    Jetzt, nach Beobachtung des Kampfes zwischen den russischen und tartarischen Truppen dicht vor der Stadt, hatten sie Kolywan in dem Augenblicke verlassen, als der Streit sich in die Straßen der Stadt hinein fortsetzte, waren nach der Telegraphenstation gelaufen, um ihre rivalisirenden Depeschen nach Europa abzulassen und Einer dem Anderen die erste Meldung der Tagesereignisse streitig zu machen.
    Michael Strogoff trat etwas bei Seite an eine dunklere Stelle und konnte von hier aus, ohne selbst gesehen zu werden, Alles sehen und hören. Jedenfalls durfte er auf wichtige Neuigkeiten hoffen, um aus diesen abnehmen zu können, ob er sich nach Kolywan hinein wagen dürfe oder nicht.
    Harry Blount, der sich noch mehr beeilte, als sein College, hatte den Platz am Schalter eingenommen, während Alcide Jolivet ganz gegen seine Gewohnheit ungeduldig mit den Füßen stampfte.
    »Jedes Wort kostet zehn Kopeken«, sagte der Beamte, die Depesche entgegennehmend.
    Harry Blount stapelte auf einer Zähltafel eine kleine Säule Rubel auf, die sein College mit einer gewissen Verwunderung betrachtete.
    »Schön, schön«, sagte der Beamte.
    Und mit der unerschütterlichsten Kaltblütigkeit der Welt begann er folgende Depesche abzutelegraphiren.
     
    » Daily-Telegraph, London.
     
    Aus Kolywan, Gouvernement Omsk in Sibirien, am 6. August.
    Gefecht zwischen russischen Truppen und Tartaren …. «
     
    Da die Worte laut vorgelesen wurden, hörte Michael Strogoff auch Alles, was der englische Correspondent seinem Journale mittheilte.
    » Die russischen Truppen mit großen Verlusten zurückgedrängt. Tartaren an demselben Tage in Kolywan eingezogen … «
    Diese Worte beendigten die Depesche.
    »Nun ist die Reihe an mir, rief Alcide Jolivet, der eine an seine Cousine im Faubourg Montmartre adressirte Depesche aufgeben wollte.«
    Das wollte aber dem englischen Reporter keineswegs passen; denn dieser dachte gar nicht daran, den Schalter zu verlassen, um alle Ereignisse, die er von hier aus etwa noch beobachten konnte, sofort nach Hause berichten zu können. Er machte also seinem Gefährten nicht Platz.
    »Sie sind aber doch fertig! … rief Alcide Jolivet.
    – Ich bin noch nicht zu Ende«, antwortete einfach Harry Blount.
    Er schrieb sofort eine Reihe Worte auf, die er dem Beamten übergab, welcher sie mit stets gleichmäßig ruhiger Stimme durchlas:
    » Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde! …«
     

    Zwei Werst vor ihm erhob

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