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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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konnte, zu unterdrücken, werde ich binnen wenigen Minuten über die Vorpostenkette hinaus sein, und zwölf Stunden vor Feofar, zwölf Stunden nur vor Ogareff voraus zu sein, das genügt mir, um ihnen nach Irkutsk zuvor zu kommen!«
    Was Michael Strogoff am meisten fürchtete und wohl auch fürchten mußte, das war die Anwesenheit Iwan Ogareff’s in dem tartarischen Lager. Abgesehen von der Gefahr, erkannt zu werden, verrieth ihm ein gewisser Instinct, daß es für ihn von besonderer Wichtigkeit sei, gerade diesem Verräther zuvor zu kommen. Er sah auch recht wohl ein, daß durch die Vereinigung der Heeresabtheilungen Iwan Ogareff’s und Feofar-Khan’s die feindliche Armee nun vollzählig wurde und mit aller Macht nach der ostsibirischen Hauptstadt zu aufbrechen werde. Eben diese Aussicht erregte in ihm aber die schwersten Befürchtungen, und aufmerksam lauschte er auf jeden schmetternden Trompetenstoß, ob dieser etwa das Eintreffen jenes Unterbefehlshabers des Emirs verkünde.
    An solche Gedanken reihten sich dann noch die Erinnerungen an seine Mutter und an Nadia, deren Erstere in Omsk zurückgeblieben, die Andere auf den Barken des Irtysch weggeschleppt worden war. Unzweifelhaft seufzte diese ebenso wie Marfa Strogoff in harter Gefangenschaft. Und er vermochte Nichts für sie zu thun! Würde er jene Zwei überhaupt wiedersehen? Krampfhaft zuckte ihm das Herz bei dieser Frage, welche er sich nicht zu beantworten wagte.
    Gleichzeitig mit Michael Strogoff und vielen anderen Gefangenen waren auch Harry Blount und Alcide Jolivet in das Tartarenfeldlager transportirt worden. Ihr früherer Reisegefährte wußte zwar, daß Jene in derselben dicht mit Wachposten besetzten Umzäunung untergebracht waren, er hatte sich ihnen aber nicht zu nähern gesucht. Nur wenig kümmerte es ihn jedoch, was sie über ihn bezüglich des Auftrittes im Posthofe zu Ichim denken möchten, er wollte vielmehr allein sein, um im gegebenen Fall schneller allein handeln zu können. Deshalb hielt er sich stets mehr bei Seite Alcide Jolivet hatte seit dem Augenblick, da sein College an seiner Seite fiel, diesem die größte Sorgfalt gewidmet. Von Kolywan bis nach dem Lager, daher auf einem Wege von mehreren Stunden, konnte Harry Blount dadurch, daß er sich auf den Arm seines Rivalen stützte, dem Gefangenenzuge folgen. Erst wollte er sich in seiner Eigenschaft als Engländer legitimiren, das hätte ihm aber gegenüber diesen Barbaren, welche nur mit Lanzenstößen und Säbelhieben antworteten, nicht im mindesten genützt. Der ehrenwerthe Correspondent des Daily-Telegraph theilte also zunächst das Schicksal aller Uebrigen, und blieb es ihm überlassen, später zu reclamiren und Satisfaction für die erlittene Behandlung zu verlangen. Diesen Weg legte er aber seiner Wunde wegen nur mit der größten, schmerzlichen Anstrengung zurück, und ohne Alcide Jolivet’s Hilfe wäre er wohl kaum im Stande gewesen, das Lager zu erreichen.
    Alcide Jolivet, den seine praktische Philosophie niemals im Stiche ließ, hatte seinen Genossen physisch und moralisch durch alle ihm zu Gebote stehenden Mittel möglichst gestärkt. Als er sich unabwendbar in jene Hürde eingeschlossen sah, eilte er zunächst, Harry Blount’s Wunde zu untersuchen. Es gelang ihm recht gut, Jenen zu entkleiden, und er überzeugte sich, daß dessen Schulter nur von dem Sprengstück einer Kugel gestreift worden war.
    »O, es ist nichts! sagte er. Eine ganz einfache Schramme. Nach zwei oder drei kühlen Aufschlägen ist die ganze Sache vorüber.
    – Aber diese nothwendigen Umschläge? … fragte Harry Blount.
    – Die mache ich Ihnen selbst.
    – Sie sind also ein wenig Arzt?
    – Alle Franzosen sind halbe Aerzte!«
    Nach dieser dreisten Versicherung zerriß Alcide Jolivet sein Taschentuch, zupfte aus einem Stücke desselben Charpie, legte ein anderes zu einem Tampon zusammen, holte aus einem in der Mitte des Platzes gelegenen Ziehbrunnen Wasser wusch die glücklicher Weise nur leichte Wunde sorgfältig aus und legte mit großer Geschicklichkeit die feuchten Leinenstücke auf Harry Blount’s Schulter.
    »Ich behandle Sie mit Wasser, sagte er. Diese Flüssigkeit ist das wirksamste Sedativum, das man bei der Behandlung von Verwundungen kennt und wird jetzt auch ganz allgemein angewendet. Die Aerzte haben nur 6000 Jahre gebraucht, um das zu entdecken! Ja, in runder Zahl so gegen 6000 Jahre!
    – Ich danke Ihnen, Herr Jolivet, erwiderte Harry Blount, indem er sich auf ein Lager von dürren

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