Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
ein irgendwie trauriges Lächeln. „Ich bin auch nur ein Gefangener in diesem Tollhaus.“
„Ach, was hast du denn angestellt?“, hakte Charly nach. „Den einzigen Kaugummi-Automaten vom ganzen Eat-Him-Place geknackt?“
„Der sieht eher aus, als hätte er ein paar Nashornsöldner zu Tode gelangweilt“, murmelte Nessy vor sich hin.
„Oh nein, ich bin eine ehrliche Haut“, behauptete der Buchhalter. „Ich bin auf der Flucht vor meinem stattlichen Eheweib aus Versehen in diesem Viertel gelandet. Sie wollte mir mit dem Nudelholz eins überziehen, weil ich nach dem Dienst noch ein Bierchen am Büdchen nebenan getrunken habe. Der Herr Zöllner hat mich schließlich erwischt und wollte mir Wegzoll abknöpfen. Da mir meine Magda aber noch kein Taschengeld gegeben hatte, musste ich meine Schulden abarbeiten. Da ich Bediensteter des Tiefbauamtes der Stadtverwaltung von Macabra war, meinte der Herr Zöllner, ich sei als Buchhalter sehr geeignet. Ich habe mich schließlich verpflichten müssen, 3.000 Jahre lang hier zu arbeiten, bis meine Schulden getilgt sind. Davon habe ich jetzt nur noch 2.996 vor mir. Langsam beginne ich zu glauben, dass ich es bei meinem Eheweib doch besser gehabt hätte. Immerhin hat sie mich nicht allzu oft geschlagen und einmal im Monat durfte ich in den Stadtpark gehen und die Tauben füttern. Aber ich will mich nicht beklagen, jede Zeit geht mal vorüber. Und was treibt die beiden Herren, den Tauren und die werte junge Dame hier ins Zollhaus, wenn ich fragen darf?“
„Dürfen Sie“, sagte Ben. „Uns geht's ähnlich wie ihnen. Mal abgesehen von der Nudelholz-Geschichte. Wir müssen bis zum Morgengrauen die gemeinen Tricksereien des Zöllners überleben, um das Viertel wieder verlassen zu dürfen.“
„Nun, von diesen Tricks ist mir leider nichts bekannt. Aber wenn Sie möchten, können sie hier auf den Sonnenaufgang warten. Ich hoffe ja nicht, dass der Chef hier auch irgendwas für Sie vorbereitet hat, sonst müsste ich nachher wieder alles aufräumen und neu sortieren. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Ich muss arbeiten. Danke.“
Der kleine Mann widmete sich wieder den Goldmünzen und seinem dicken Buch. Dienstbeflissen kaute er auf seinem Füllfederhalter. Die Auserwählten nahmen sein durchaus vernünftig klingendes Angebot an und blieben da. Doch wieder währte die Ruhe nur kurz. Ein Regal, das bis zur Decke reichte, begann erst zu vibrieren, dann gefährlich zu schaukeln und schließlich krachte es mit lautem Poltern zu Boden und verpasste Charlys rechtes Ohr nur um Haaresbreite. Und als wäre das nicht schon übel genug gewesen, schossen gleich darauf die schweren grauen Bücher in die Höhe und breiteten ihre vollgeschriebenen Seiten wie Flügelpaare aus. Nun ähnelten sie fetten kopflosen Vögeln. Es dauerte nicht lange, und es kam Bewegung in die Bücher, sie schlugen mit den seltsamen Flügeln und schossen mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf Ben und dessen Kollegen zu.
„Oh nein, oh nein. Meine Aufzeichnungen!“, wimmerte der Kleine Mann.
Doch die Auserwählten interessierten sich im Moment weniger für die buchhalterischen Glanzleistungen des kleinen Kerls, sondern mehr für ihre eigene Gesundheit. RUMMS! Da hatte ein Buch Jahrgang ’72 Ben am Hinterkopf erwischt, während die wildgewordenen Pappkameraden bereits die nächsten Attacken starteten. Ben wurde schwarz vor Augen, und er ging zu Boden. Weitere Wälzer krachten ihm in den Rücken. Rippenbiest stellte sich schützend vor Nessy, die hinter seinem Rücken motzte, sie habe Bücher jedweder Art schon immer gehasst. Charly wich einem flatternden Schmöker gerade noch aus und begab sich neben seinen reglosen Freund auf Tauchstation. Ein Hand schützend über dem Kopf, versuchte er mit der anderen, den niedergestreckten Ben aus der Ohnmacht wachzurütteln. Endlich öffnete der die Augen.
„Wer bin ich, was bin ich, wo bin ich? Und wenn ich bin, warum?“, wollte er wissen.
„Kuschelhasig!“, sagte Charly erleichtert. „Du erzählst schon wieder den gleichen Stuss, wie sonst auch immer. Du wirst also überleben.“
„Wenn wir nicht machen, dass wir wegkommen, wohl eher nicht, Kumpel.“
Ben rieb die Beule an seinem Hinterkopf und schaute sich um. Zwei Türen konnte er durch die flatternden Buchmassen ausmachen. Eine führte zurück zum rasenden Ritter.
„Könntest du dich vielleicht heute noch entscheiden?“, drängte Nessy und lugte hinter dem Rücken des Tauren (dem die Bücher nicht viel anhaben
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