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Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1

Titel: Der Dativ Ist dem Genitiv Sein Tod 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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deutschen Sprache – heißt es in Übereinstimmung mit den neuen amtlichen Regeln:
    »Gelegentlich wird das Genitiv-s zur Verdeutlichung der Grundform des Namens auch durch einen Apostroph abgesetzt.«

    Man beachte die Wortwahl: gelegentlich. Das klingt wie: »Einige können es eben nicht lassen.« Und um sein Unwohlsein noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, fügt der Duden fast trotzig an: »Normalerweise wird vor einem Genitiv-s kein Apostroph gesetzt.«
    Ach ja, die gute alte Normalität! – als »Clarissa's Hairstudio « noch »Frisörsalon Lötzke« hieß –, wo ist sie hin?

    »Man sieht sich immer zweimal!«, weissagte der sächsische Genitiv nicht ohne Häme, als er sich anschickte, im Gefolge der Angeln und Sachsen nach Britannien auszuwandern. Er sollte Recht behalten. Er kehrte zurück – und wie! Doch kurioserweise nicht aus dem Westen (wo man allgemein den Ursprung aller Anglizismen vermutet), sondern aus dem Osten. Denn im Verbund mit D-Mark und Marktwirtschaft wurde nach der Wende in Ostdeutschland auch der Apostroph eingeführt. Keine Geschäftseröffnung, kein neues Ladenschild ohne das obligatorische Häkchen. Die Apostroph-Euphorie schwappte in den Westen zurück und schwappt seitdem gesamtdeutsch hin und her,
    vorzugsweise in den seichten Niederungen des
    »Internet's«.

    »Seither hat sich dieser Genitiv, der bis dahin bei Beck's Bier und ein paar vergleichbaren Labels ein leise belächeltes Exotendasein geführt hatte, wie die schwarzen Blattern aus-gebreitet«, stöhnte die
    »Süddeutsche Zeitung« in einem »Streiflicht« im Jahre 1998.

    Nun, es scheint, als müssten wir mit diesen Blattern leben. Wir haben uns an Phänomene wie Modern Talking und die »Oliver Geissen Show« gewöhnt und an Wörter wie »Airline«, »Basement« und »Lifestyle« (Wer sagt schon noch Fluglinie, Untergeschoss und Lebensart?), also werden wir auch damit fertig.

    Doch es ist wie immer im Leben: Kaum hat man sich mit dem einen Schicksalsschlag abgefunden, da zieht schon die nächste Katastrophe herauf. Mit
    erschreckender Geschwindigkeit breitet sich eine neue, noch schlimmere Apostrophenpest in Deutschland aus.
    Befallen ist diesmal nicht der Genitiv, sondern der Plural.
    Plötzlich liest man überall von » Kid's « und » Hit's «
    und wird permanent mit »Info's« bombardiert. Zunächst konnte man noch vermuten, dass diesem Kuriosum eine schlichte Verwechslung zugrunde liegt, zumal
    hauptsächlich aus dem Englischen stammende Wörter betroffen sind: Womöglich war das Plural-s für ein Genitiv-s gehalten worden.

    Doch inzwischen werden auch andere Begriffe zer-apostrophiert: Der Obsthändler an der Ecke verkauft neuerdings Mango's und Kiwi's, die Anzeigenblätter im Briefkasten werben für günstige Carauan's, Kombi's und extra dicke Pizza's, die Kid's entpuppen sich als Mädel's und Jungen's, man ersteigert bei Ebay modische Accessoire's, überrascht einander mit lustig bedruckten T-Shirt's, staunt über die Vielzahl von Tee's auf der Getränkekarte, und wem mit Tee's nicht gedient ist, der bestellt Kognak's oder Martini's. Im Hotelzimmer schaut man sich später ein paar Video's an, und bezahlt wird das Ganze selbstverständlich in Euro's, und zwar bar, denn an vielen Kassen werden »keine Scheck's« angenommen.
    Halten Sie's noch aus, oder müssen Sie schon
    wegschauen? Es kommt noch schlimmer:

    Gar keine Aussicht auf Rettung besteht mehr für Abkürzungen. Lastkraftwagen (kurz: Lkw, auch in der Mehrzahl) sind zu» LKW's «geworden, Personenfahr-zeuge werden entsprechend »PKW's« abgekürzt, und immer wieder stolpert man über »CD's« und »DVD's«.

    Liest man in der Sauna den Hinweis »Kein Schweiß aufs Holz«, so brennt es einem in den Augen. Ebenso beim Anblick von Läden, die »Alles für's Kind«
    anbieten. Zwar ist der Apostroph hier überflüssig, aber immerhin scheint sich der Schildermaler noch was dabei gedacht zu haben. » Eigentlich heißt's ja >auf das Holz< und >für das Kind<(, da mach ich vorsichtshalber mal 'n Apo-dingsda, na, so'n Häkchen halt«, wird er sich gesagt haben – und schon war's passiert. Lästig, aber lässlich.
    Aber viele Menschen setzen den Apostroph bereit's auch dort, wo gar nicht's ausgelassen wurde. Da! Haben Sie es bemerkt? Ist Ihnen nicht's aufgefallen? Dann schauen Sie mal nach recht's! Und dann noch mal nach link's! Merken Sie es jetzt?

    Manche Deutsche scheinen von der Vorstellung
    besessen, dass generell jedes »s« am Wortende
    apostrophiert

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