Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Sie danach fragen«, erwiderte sie, »dasselbe habe
ich mich nämlich auch schon immer gefragt!«
Es blieb mir also nur, die Sache logisch anzugehen. Wozu
dient das Ding?, fragte ich mich. Es trennt die Waren auf
dem Kassenfließband. Und ein Ding, das Waren trennt,
sollte auch so genannt werden: »Warentrenner«. Ich machte
flugs die Probe aufs Exempel und gab den Begriff »Waren-
trenner« in eine Internetsuchmaschine ein. Und ich wurde
prompt fündig. Zu meiner Freude stellte ich fest, dass sich
bereits ein ganzes Diskussionsforum zur Klärung dieser be-
deutsamen Frage zusammengefunden hatte. Dabei zeigte
sich, dass auch die anderen Sprachinteressierten mehrheitlich
für die Bezeichnung »Warentrenner« plädieren. Weitere
Vorschläge lauten: (Waren-)Trennbalken, (Waren-)Trenn-
stab, Trendy, Warenstaffelstab, Kassenbandriegel und Sepa-
rator. In der Schweiz kennt man außerdem den Ausdruck
»Kassentoblerone«. Besonders gefiel mir auch »Näkubi«,
kurz für»Nächster Kunde bitte!« Die mit Abstand charman-
teste Idee stammtaus Ostfriesland: »Miendientje«, weil man
es zwischen »meins« (mien) und »deins« (dien) legt.
Bereits vor einigen Jahren hat das »Jetzt«-Magazin der
»Süddeutschen Zeitung« seinen Lesern den Begriff »Waren-
stopper« empfohlen. Der setzte sich allerdings nicht durch,
denn er ließ vermuten, das Ding sei dazu da, die Waren da-
ran zu hindern, vom Kassenband herunterzufallen. Der Ko-
lumnist Max Goldt machte den Vorschlag, das Ding an der
Kasse »Warenabtrennhölzchen« zu nennen. Nur ist das
Hölzchen heute meistens aus Kunststoff oder Metall.
Das sicherste Indiz liefern in solchen Fällen für gewöhn-
lich Handel und Industrie. Die Hersteller und Vertreiber
müssen schließlich wissen, wie ihre Produkte heißen. Die
Internetsuche mit dem Begriff »Warentrenner« führtauf die
Seiten mehrerer Werbeartikelanbieter, bei denen man Wa-
rentrenner in den verschiedensten Größen und Formen be-
stellen kann.
Ihre Frage wirft übrigens gleich die nächste auf: Was ist ein
Laufband im Unterschied zum Kassenband? Laufbänder
findet man eher in Fitness-Studios als in Supermärkten. Ei-
nige Handelsketten empfehlen ihren Kassierern und Kassie-
rerinnen allerdings, regelmäßig Sport zu treiben, es wäre also
denkbar, dass das Kassenband nach Ladenschluss zum
Laufband wird. Fortgeschrittene benutzen dann womöglich
die Warentrenner zum Hürdenlauf.
Von der deutschlandweiten Not,
amerikafreundlich zu sein
Eine Angst geht um in deutschen Landen. Die Angst, zusammenzu-
schreiben, was zusammengehört. Sie ist »Deutschland-weit« ver-
breitet und führt zu bizarren Schreibweisen wie »Veilchen-artig«,
»Tollwut-frei« und »Amerika-freundlich«. Dabei ist es gar nicht
schwer, ein Adjektiv richtig zu schreiben. Man muss sich nur trauen.
Eine junge Fernsehredakteurin, die sich nach eigener Aus-
kunft gerade mit dem Thema Paarungsverhalten beschäftigt,
stellt mir folgende Frage: »Wenn ein Mensch sich ähnlich
wie ein Pavian verhält, hat man es dann mit einem »Pavian-
ähnlichen Verhalten‹ oder einem ›Pavian ähnlichen
Verhalten« zu tun?« Ich verwerfe sowohl die erste als auch
die zweite Variante und schlage stattdessen eine dritte vor:
»Schreiben Sie die beiden Wörter einfach zusammen und
machen Sie ein pavianähnliches Verhalten daraus!« − »Geht
das denn?«, fragt sie ungläubig. »Aber gewiss doch!«, erwide-
re ich. »Es handelt sich um ein Adjektiv, nichts weiter. Auch
wenn es aus zwei Teilen besteht − pavianähnlich wird genau-
so zusammengeschrieben wie affenartig.«- »Das klingt ein-
leuchtend«, sagt sie, »daraufhätte ich eigentlich auch selbst
kommen können. Irgendetwas hielt mich bislang immer da-
von ab, große und kleine Wörter zusammenzuschreiben.«
Ihre Skepsis ist symptomatisch für eine weit verbreitete
Scheu vor der Zusammenschreibung zusammengesetzter
Eigenschaftswörter. Diese Scheu ist besonders stark, wenn
der erste Teil eine Gattungsbezeichnung oder ein geogra-
fischer Name ist. Wie oft stößt man in Texten auf seltsame
Konstruktionen wie »Europa-weit« oder »Amerika-freund-
lich«. Dabei gilt für Namenswörter dasselbe wie für alle
Hauptwörter: Werden sie zu Adjektiven oder Adverbien
umgebaut, büßen sie ihre Großschreibung ein − eine Konse-
quenz, vor der sich viele zu fürchten scheinen. Seltsam − wo
doch heute sonst kaum noch jemand rücksicht auf groß-
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