Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
auf irgendein Zeichen, mit dem
die Kundin zu erkennen gab, dass sie sich einen sprachlichen
Scherz erlaubt habe. Aber da kam nichts. Offenbar war die
Kundin fest davon überzeugt, die richtigen Worte gewählt zu
haben. Und dabei sah sie Verona Feldbusch nicht einmal
ähnlich.
Schlimmer noch als die Verwechslung von Aktiv und Pas-
siv ist die Verwechslung von Akkusativ und Dativ. Ein
Freund von mir sagt hartnäckig, er sei »im Gespräch verwi-
ckelt gewesen«, was für mich so klingt, als hätte während
des Gesprächs plötzlich jemand ein Netz über ihn geworfen.
Unlängst schrieb mir eine besorgte Leserin, sie habe das Ge-
fühl, dass immer mehr Menschen nach Präpositionen, die
den Dativ erfordern, den Akkusativ benutzten. Als sie kürz-
lich in einem Geschäft mit ihrer Kreditkarte bezahlen wollte
und diese sich nicht durch das Kartenlesegerät ziehen ließ,
habe ihr die Kassiererin gesagt:»Das liegt an den Apparat.«
Die Leserin fragte sich indes, woran es liege, dass die
Kassiererin hier den Akkusativ wählte. An falschen Vorbil-
dern in der Werbung?
Man darf den Einfluss der Werbung nicht überschätzen.
Wenn die deutsche Sprache im Fall eines dritten oder vierten
Falles gelegentlich ins Schwanken gerät, so liegt dies vor
allem an der Tatsache, dass wir Deutschen ein Volk von Dia-
lektsprechern sind. Und jede Mundart hat ihre eigenen Re-
geln, gerade was den Gebrauch der Fälle angeht. Der Berliner
zum Beispiel kann mit dem Akkusativ nicht viel anfangen. So
lautet die schönste Erklärung, die ein Mensch einem anderen
machen kann, auf Berlinerisch: »Ick liebe dir.«
In anderen Gegenden wiederum erfreut sich der Akkusa-
tiv weitaus größerer Beliebtheit als der Dativ. Im Ruhrgebiet
zum Beispiel heißt es am Frühstückstisch: »Gib mich mal
die Butter.« Auch der Aachener kommt problemlos ohne
»mir« und »dir« aus und lässt auch sonst alles weg, was
nach seinem Gefühl nicht unbedingt nötig ist. Wenn ihm das
Angebot in der Kantine nicht zusagt, sagt er: »Ich jeh nach
Haus und koch mich selbst.«Bei gegenständlichen Objekten
verwendet er auch gerne mal den Nominativ:»Kannste mich
mal der Schlüssel jeben?«
Auch der Kölner lehnt die Existenz von mehr als zwei Fäl-
len hartnäckig ab. Man sagt» dat Mensch«im Nominativ und
im Akkusativ, und»demm Mensch«im Dativ und im Genitiv.
In Köln kommt man damit wunderbar zurecht. Dass sich, je
nach Region, bei bestimmten Wendungen ein unterschiedli-
eher Kasusgebrauch eingebürgert hat, ist weder ungewöhn-
lich noch unerklärlich. Es ist historisch so gewachsen.
Schließlich ist es selbst im Hochdeutschen längst nicht
immer eindeutig. Heißt es »auf sein Recht beharren« oder
»auf seinem Recht beharren«? Der Duden lässt hier nur den
Dativ gelten. Bei »auf etwas bestehen« geht hingegen beides,
man kann »auf seinem Recht bestehen« (wenn man darauf
beharrt), und man kann »auf sein Recht bestehen« (wenn
man es einfordert). Immer wieder gerate ich ins Grübeln,
wenn ich mit der Frage konfrontiert werde, ob es »Er hat
ihm auf die Füße getreten« heißt oder »Er hat ihn auf die
Füße getreten«. Aber auch hier ist beides möglich.
Einem Bericht der »taz« zufolge soll der bayerische Minis-
terpräsident Edmund Stoiber einmal gesagt haben, »wir
müssen den Ausländern richtiges Deutsch lernen«. Diese
Aussage hat seinerzeit viele Menschen stutzig gemacht, und
einige meinten, vielleicht solle man erst einmal die Politiker
in unserem Lande richtiges Deutsch lehren. Jemanden et-
was lehren (nicht lernen) wird im Allgemeinen mit dem
doppelten Akkusativ gebraucht: einen Menschen (wen =
Akkusativ der Person) das Fürchten (was = Akkusativ der
Sache) lehren.
Das war in früheren Jahrhunderten auch mal anders, da
konnte der Meister seinem Lehrling auch im Dativ das Hand-
werk lehren, aber heute wird der Dativ im Zusammenhang
mit dem Wort »lehren« überwiegend als falsch empfunden.
Diese schmerzliche Erkenntnis musste auch jene Werbe-
agentur machen, die im Januar 2004 den amerikanischen
Spielfilm »Mona Lisas Lächeln« auf dem deutschen Markt
anpries. »In einer Welt, die ihnen vorschrieb, wie man lebt,
lehrte sie ihnen, wie man denkt.«So stand es auf Tausenden
von Kinoplakaten zu lesen. Und auf den Gesichtern Tausen-
der Kinobesucher bildeten sich große Fragezeichen: Ist das
richtig so?
Als der Film einige Zeit später als DVD herauskam, war auf
der Hülle der Satz
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