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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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auf irgendein Zeichen, mit dem
    die Kundin zu erkennen gab, dass sie sich einen sprachlichen
    Scherz erlaubt habe. Aber da kam nichts. Offenbar war die
    Kundin fest davon überzeugt, die richtigen Worte gewählt zu
    haben. Und dabei sah sie Verona Feldbusch nicht einmal
    ähnlich.
    Schlimmer noch als die Verwechslung von Aktiv und Pas-
    siv ist die Verwechslung von Akkusativ und Dativ. Ein
    Freund von mir sagt hartnäckig, er sei »im Gespräch verwi-
    ckelt gewesen«, was für mich so klingt, als hätte während

    des Gesprächs plötzlich jemand ein Netz über ihn geworfen.
    Unlängst schrieb mir eine besorgte Leserin, sie habe das Ge-
    fühl, dass immer mehr Menschen nach Präpositionen, die
    den Dativ erfordern, den Akkusativ benutzten. Als sie kürz-
    lich in einem Geschäft mit ihrer Kreditkarte bezahlen wollte
    und diese sich nicht durch das Kartenlesegerät ziehen ließ,
    habe ihr die Kassiererin gesagt:»Das liegt an den Apparat.«
    Die Leserin fragte sich indes, woran es liege, dass die
    Kassiererin hier den Akkusativ wählte. An falschen Vorbil-
    dern in der Werbung?
    Man darf den Einfluss der Werbung nicht überschätzen.
    Wenn die deutsche Sprache im Fall eines dritten oder vierten
    Falles gelegentlich ins Schwanken gerät, so liegt dies vor
    allem an der Tatsache, dass wir Deutschen ein Volk von Dia-
    lektsprechern sind. Und jede Mundart hat ihre eigenen Re-
    geln, gerade was den Gebrauch der Fälle angeht. Der Berliner
    zum Beispiel kann mit dem Akkusativ nicht viel anfangen. So
    lautet die schönste Erklärung, die ein Mensch einem anderen
    machen kann, auf Berlinerisch: »Ick liebe dir.«
    In anderen Gegenden wiederum erfreut sich der Akkusa-
    tiv weitaus größerer Beliebtheit als der Dativ. Im Ruhrgebiet
    zum Beispiel heißt es am Frühstückstisch: »Gib mich mal
    die Butter.« Auch der Aachener kommt problemlos ohne
    »mir« und »dir« aus und lässt auch sonst alles weg, was
    nach seinem Gefühl nicht unbedingt nötig ist. Wenn ihm das
    Angebot in der Kantine nicht zusagt, sagt er: »Ich jeh nach
    Haus und koch mich selbst.«Bei gegenständlichen Objekten
    verwendet er auch gerne mal den Nominativ:»Kannste mich
    mal der Schlüssel jeben?«
    Auch der Kölner lehnt die Existenz von mehr als zwei Fäl-
    len hartnäckig ab. Man sagt» dat Mensch«im Nominativ und
    im Akkusativ, und»demm Mensch«im Dativ und im Genitiv.
    In Köln kommt man damit wunderbar zurecht. Dass sich, je
    nach Region, bei bestimmten Wendungen ein unterschiedli-

    eher Kasusgebrauch eingebürgert hat, ist weder ungewöhn-
    lich noch unerklärlich. Es ist historisch so gewachsen.
    Schließlich ist es selbst im Hochdeutschen längst nicht
    immer eindeutig. Heißt es »auf sein Recht beharren« oder
    »auf seinem Recht beharren«? Der Duden lässt hier nur den
    Dativ gelten. Bei »auf etwas bestehen« geht hingegen beides,
    man kann »auf seinem Recht bestehen« (wenn man darauf
    beharrt), und man kann »auf sein Recht bestehen« (wenn
    man es einfordert). Immer wieder gerate ich ins Grübeln,
    wenn ich mit der Frage konfrontiert werde, ob es »Er hat
    ihm auf die Füße getreten« heißt oder »Er hat ihn auf die
    Füße getreten«. Aber auch hier ist beides möglich.
    Einem Bericht der »taz« zufolge soll der bayerische Minis-
    terpräsident Edmund Stoiber einmal gesagt haben, »wir
    müssen den Ausländern richtiges Deutsch lernen«. Diese
    Aussage hat seinerzeit viele Menschen stutzig gemacht, und
    einige meinten, vielleicht solle man erst einmal die Politiker
    in unserem Lande richtiges Deutsch lehren. Jemanden et-
    was lehren (nicht lernen) wird im Allgemeinen mit dem
    doppelten Akkusativ gebraucht: einen Menschen (wen =
    Akkusativ der Person) das Fürchten (was = Akkusativ der
    Sache) lehren.
    Das war in früheren Jahrhunderten auch mal anders, da
    konnte der Meister seinem Lehrling auch im Dativ das Hand-
    werk lehren, aber heute wird der Dativ im Zusammenhang
    mit dem Wort »lehren« überwiegend als falsch empfunden.
    Diese schmerzliche Erkenntnis musste auch jene Werbe-
    agentur machen, die im Januar 2004 den amerikanischen
    Spielfilm »Mona Lisas Lächeln« auf dem deutschen Markt
    anpries. »In einer Welt, die ihnen vorschrieb, wie man lebt,
    lehrte sie ihnen, wie man denkt.«So stand es auf Tausenden
    von Kinoplakaten zu lesen. Und auf den Gesichtern Tausen-
    der Kinobesucher bildeten sich große Fragezeichen: Ist das
    richtig so?

    Als der Film einige Zeit später als DVD herauskam, war auf
    der Hülle der Satz

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