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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Stichwort
    »goethefreundlich«. Die neue deutsche Rechtschreibung er-
    laubt inzwischen zwar auch das Setzen eines Bindestrichs,
    wenn der Name hervorgehoben werden soll, aber bei einem
    derart bekannten Namen wie Goethe ist dies eigentlich
    nicht nötig. Auch ein »schrödernaher Vertrauter« und eine
    »merkelähnliche Frisur« können zusammengeschrieben
    werden, sofern aus dem Zusammenhang hervorgeht, wel-
    cher Schröder und welche Merkel gemeint sind.
    »Und wie verhält es sich dann mit Abkürzungen?«, will
    die Redakteurin von mir wissen. »Gilt auch da Klein-
    und Zusammenschreibung? Eine spdnahe Stiftung? Eine
    gmbhähnliche Struktur? Ein euweites Verbot?« − »Selbst-
    verständlich nicht«, beruhige ich sie, »das könnte ja nun
    wirklich kein Mensch mehr lesen und verstehen. Bei Abkür-
    zungen behilft man sich mit dem Bindestrich: eine SPD-nahe
    Stiftung, eine GmbH-ähnliche Struktur, ein EU-weites
    Verbot. Aber eben nur bei den Abkürzungen. Bei ganzen
    Wörtern hingegen sollte man sich in Zusammenschreibung
    üben. Was immer auf -ähnlich, -freundlich, -mäßig, -artig
    oder -nah endet, ist ein gewöhnliches Eigenschaftswort und
    bedarf keiner Kopplung.«

    »Hör ich richtig?«, mischt sich der neugierige Assistent ein,
    der sich zu uns gesellt hat.»Ihr unterhaltet euch über Recht-
    schreibung?«-»Wir streicheln Adjektive!«, sagt seine Kolle-
    gin. »Das solltest du auch mal machen, es fühlt sich wirklich
    toll an!« Der Assistent wirkt verdutzt:»Ihr streichelt Adjek-
    tive?« − »Ganz genau! Ich lerne gerade, meine Scheu vor der
    Zusammenschreibung zu überwinden. Ich glaube, ich könn-
    te jetzt Begriffe wie kohlendioxidhaltig und auberginenfar-
    big in einem Rutsch durchschreiben!« − »Und Sie werden
    feststellen«, sage ich, »es tut überhaupt nicht weh!«

    Grammatischer Radbruch
    Frage eines Lesers: Beim Lesen einer renommierten Berliner
    Tageszeitung stolperte ich in einem Bericht über Paul
    McCartney über folgende Formulierung: »McCartney hat
    diesen Blick des ewig unbedarften Jungen auch mit 60 noch
    gut konserviert, dem man nur schlecht böse sein kann. Auch
    dann nicht, als er ein paar Kinderverse auf Deutsch rade-
    brach.« Dass McCartney Probleme mit der deutschen Spra-
    che hat, ist verzeihlich und nicht weiter überraschend. Aber
    es stellt sich doch die Frage, wer »radebrach« hier mehr?
    Antwort des Zwiebelfischs: Ihre Zweifel sind durchaus
    berechtigt, das Verb »radebrechen« wird tatsächlich regel-
    mäßiggebeugt:
    er radebrecht (nicht: radebricht)
    er radebrechte (nicht: radebrach)
    er hat geradebrecht (nicht: hat radegebrochen)

    Das Wort geht ins Mittelalter zurück, als Übeltäter für ihre
    Vergehen noch aufs Rad gebunden wurden (daher auch: ge-
    rädert), wo man ihnen dann alle Knochen brach. In späteren
    Jahrhunderten erlangte es die Bedeutung »quälen«, und seit
    dem 17. Jahrhundert bezeichnet »radebrechen« das Schinden
    einer Sprache.
    Obwohl mit dem unregelmäßig gebeugten Verb »bre-
    chen« verwandt, hat »radebrechen« als feste Fügung einen
    anderen Konjugationsweg eingeschlagen. Die zitierte Zei-
    tung hat also beim Beugen eine grammatische Reifenpanne
    gehabt, treffender gesagt: einen Radbruch.

    Hier werden Sie geholfen!

    »Das kostet Ihnen keinen Cent!«, verspricht ein Anbieter im Inter-
    net. Offenbar kostet uns seine Werbung dafür den Akkusativ. Doch
    nicht nur die Reklamesprache gibt uns immer wieder neue Rätsel
    auf. Auch manchem Politiker sind schon die Fälle davongeschwom-
    men. Dem muss man dann erst mal wieder richtiges Deutsch lernen.
    Jeder kennt die Werbung für die Telefonauskunft, bei der
    Verona Feldbusch ihr Image als grammatikschwaches
    Dummchen geschickt vermarktet, wenn sie die berühmten
    Worte spricht: »Da werden Sie geholfen.« Die meisten
    wissen natürlich, dass dies falsches Deutsch ist und dass es
    richtig heißen muss: »Da wird Ihnen geholfen.« Den meisten
    ist bekannt, dass das Verb »helfen« aktivisch und mit dem
    Dativ gebildet wird, nicht passivisch wie in »Hier werden Sie
    beraten« oder »Da werden Sie verschaukelt«.
    Den meisten, wohlgemerkt. Die meisten sind aber nicht
    alle. So wurde mir von einem Fall berichtet, bei dem eine
    Kundin in einem Schuhgeschäft die höfliche Frage einer
    Verkäuferin, ob sie eine Beratung wünsche, mit den Worten
    erwiderte: »Nein danke, ich werde schon geholfen!« Die
    Verkäuferin sah die Kundin ungläubig an und wartete auf
    ein Zwinkern, ein Lächeln,

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