Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2
Stichwort
»goethefreundlich«. Die neue deutsche Rechtschreibung er-
laubt inzwischen zwar auch das Setzen eines Bindestrichs,
wenn der Name hervorgehoben werden soll, aber bei einem
derart bekannten Namen wie Goethe ist dies eigentlich
nicht nötig. Auch ein »schrödernaher Vertrauter« und eine
»merkelähnliche Frisur« können zusammengeschrieben
werden, sofern aus dem Zusammenhang hervorgeht, wel-
cher Schröder und welche Merkel gemeint sind.
»Und wie verhält es sich dann mit Abkürzungen?«, will
die Redakteurin von mir wissen. »Gilt auch da Klein-
und Zusammenschreibung? Eine spdnahe Stiftung? Eine
gmbhähnliche Struktur? Ein euweites Verbot?« − »Selbst-
verständlich nicht«, beruhige ich sie, »das könnte ja nun
wirklich kein Mensch mehr lesen und verstehen. Bei Abkür-
zungen behilft man sich mit dem Bindestrich: eine SPD-nahe
Stiftung, eine GmbH-ähnliche Struktur, ein EU-weites
Verbot. Aber eben nur bei den Abkürzungen. Bei ganzen
Wörtern hingegen sollte man sich in Zusammenschreibung
üben. Was immer auf -ähnlich, -freundlich, -mäßig, -artig
oder -nah endet, ist ein gewöhnliches Eigenschaftswort und
bedarf keiner Kopplung.«
»Hör ich richtig?«, mischt sich der neugierige Assistent ein,
der sich zu uns gesellt hat.»Ihr unterhaltet euch über Recht-
schreibung?«-»Wir streicheln Adjektive!«, sagt seine Kolle-
gin. »Das solltest du auch mal machen, es fühlt sich wirklich
toll an!« Der Assistent wirkt verdutzt:»Ihr streichelt Adjek-
tive?« − »Ganz genau! Ich lerne gerade, meine Scheu vor der
Zusammenschreibung zu überwinden. Ich glaube, ich könn-
te jetzt Begriffe wie kohlendioxidhaltig und auberginenfar-
big in einem Rutsch durchschreiben!« − »Und Sie werden
feststellen«, sage ich, »es tut überhaupt nicht weh!«
Grammatischer Radbruch
Frage eines Lesers: Beim Lesen einer renommierten Berliner
Tageszeitung stolperte ich in einem Bericht über Paul
McCartney über folgende Formulierung: »McCartney hat
diesen Blick des ewig unbedarften Jungen auch mit 60 noch
gut konserviert, dem man nur schlecht böse sein kann. Auch
dann nicht, als er ein paar Kinderverse auf Deutsch rade-
brach.« Dass McCartney Probleme mit der deutschen Spra-
che hat, ist verzeihlich und nicht weiter überraschend. Aber
es stellt sich doch die Frage, wer »radebrach« hier mehr?
Antwort des Zwiebelfischs: Ihre Zweifel sind durchaus
berechtigt, das Verb »radebrechen« wird tatsächlich regel-
mäßiggebeugt:
er radebrecht (nicht: radebricht)
er radebrechte (nicht: radebrach)
er hat geradebrecht (nicht: hat radegebrochen)
Das Wort geht ins Mittelalter zurück, als Übeltäter für ihre
Vergehen noch aufs Rad gebunden wurden (daher auch: ge-
rädert), wo man ihnen dann alle Knochen brach. In späteren
Jahrhunderten erlangte es die Bedeutung »quälen«, und seit
dem 17. Jahrhundert bezeichnet »radebrechen« das Schinden
einer Sprache.
Obwohl mit dem unregelmäßig gebeugten Verb »bre-
chen« verwandt, hat »radebrechen« als feste Fügung einen
anderen Konjugationsweg eingeschlagen. Die zitierte Zei-
tung hat also beim Beugen eine grammatische Reifenpanne
gehabt, treffender gesagt: einen Radbruch.
Hier werden Sie geholfen!
»Das kostet Ihnen keinen Cent!«, verspricht ein Anbieter im Inter-
net. Offenbar kostet uns seine Werbung dafür den Akkusativ. Doch
nicht nur die Reklamesprache gibt uns immer wieder neue Rätsel
auf. Auch manchem Politiker sind schon die Fälle davongeschwom-
men. Dem muss man dann erst mal wieder richtiges Deutsch lernen.
Jeder kennt die Werbung für die Telefonauskunft, bei der
Verona Feldbusch ihr Image als grammatikschwaches
Dummchen geschickt vermarktet, wenn sie die berühmten
Worte spricht: »Da werden Sie geholfen.« Die meisten
wissen natürlich, dass dies falsches Deutsch ist und dass es
richtig heißen muss: »Da wird Ihnen geholfen.« Den meisten
ist bekannt, dass das Verb »helfen« aktivisch und mit dem
Dativ gebildet wird, nicht passivisch wie in »Hier werden Sie
beraten« oder »Da werden Sie verschaukelt«.
Den meisten, wohlgemerkt. Die meisten sind aber nicht
alle. So wurde mir von einem Fall berichtet, bei dem eine
Kundin in einem Schuhgeschäft die höfliche Frage einer
Verkäuferin, ob sie eine Beratung wünsche, mit den Worten
erwiderte: »Nein danke, ich werde schon geholfen!« Die
Verkäuferin sah die Kundin ungläubig an und wartete auf
ein Zwinkern, ein Lächeln,
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