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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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Aufwiegler ver-
    hält, der verhält sich provokatorisch.
    Der Jugendjargon hält übrigens noch eine weitere Ablei-
    tung bereit: Wer gerne demonstriert und Krawalle liebt, der
    ist »voll provomäßig drauf«. Womit wir gleich beim nächs-
    ten Thema wären...

    Die maßlose Verbreitung des Mäßigen

    Dass die Umgangssprache einem Rinnsal gleich immer nach dem
    kürzesten Weg sucht, ist nachweislich falsch. Viele Menschen könn-
    ten ihre Telefonkosten halbieren, wenn sie sich angewöhnten, auf
    überflüssige Wortanhängsel zu verzichten. Doch das fällt offenbar
    genauso schwer wie der Verzicht auf Süßes und Kartoffelchips.
    Gemessen am Unglück anderer geht es uns Deutschen ei-
    gentlich recht gut, und trotzdem ist eines der am häufigsten
    gehörten Wörter in unserer Alltagssprache »mäßig«. Manche
    Gespräche strotzen geradezu vor Mäßigkeiten: »Und wie
    klappt es bei dir so, beruflich und privat?« − »Jobmäßig läuft
    alles normal, urlaubsmäßig haben wir zwar noch keine
    Pläne, aber beziehungsmäßig sind wir im Moment total hap-
    py, das lässt sich nicht anders sagen!«
    Doch, will man spontan widersprechen, das lässt sich an-
    ders sagen! In gemäßigterer Form nämlich, ohne all die über-
    flussmäßigen Wortanhängsel. Stilistisch ist so ein Rede-
    beitrag nämlich eine Zumutung; notenmäßig bekäme er
    bestimmt kein »Gut«, nicht einmal ein »Befriedigend«, son-
    dern bestenfalls ein »Mäßig«.
    Tatsächlich, um nicht zu sagen»tatsachenmäßig« lässt sich
    feststellen, dass die Deutschen auf das Suffix»-mäßig« nicht
    mehr verzichten können. Selbst der Duden räumt ein, dass
    das Wort »mäßig« heute »eine überaus große Rolle als Suf-
    fix« spiele. Ursprünglich, wenn nicht gar »ursprungsmäßig«
    geht »mäßig« auf »Maß« zurück, und bei den Begriffspaaren
    gleichmäßig/Gleichmaß, ebenmäßig/Ebenmaß und mit-
    telmäßig/Mittelmaß lässt sich die unmittelbare Verwandt-
    schaft nicht leugnen. Doch was sind Jobmaß, Urlaubsmaß
    und Beziehungsmaß? Von Maßhalten kann angesichts der
    inflationsmäßigen Verbreitung der Endung keine Rede sein.

    Die Zeiten sind vorbei, da man dieses Phänomen noch als
    Jugendjargon oder WG-Küchengeschwätz abtun konnte.
    Inzwischen hat »mäßig« sämtliche Bereiche unserer Gesell-
    schaft erfasst. Es treibt sich im Sport herum (»Das heimi-
    sche Team muss sich angriffsmäßig schon etwas einfallen
    lassen, um das Bollwerk zu knacken«), es wabert durch die
    Wirtschaft (»Die Zuwachsraten lagen auch im vergangenen
    Jahr im guten zweistelligen Bereich: umsatzmäßig wie auch
    renditemäßig«) und ist selbstverständlich auch in der Politik
    anzutreffen, wo man sich ausdrucksmäßig bekanntlich stets
    um äußerste Präzision bemüht.
    Wenn die Mitglieder eines Kabinetts oder einer Kommis-
    sion sich in einer bestimmten Frage nicht einigen können
    oder schlichtweg keine Meinung haben, dann heißt es neu-
    erdings, man habe sich noch nicht »beschlussmäßig positio-
    niert«. In der Sache also kein Ergebnis, aber wischiwaschi-
    mäßig ein Volltreffer. Das ist Schaumschlägerei auf mäßig
    hohem Niveau. »Mäßig« hilft dabei, die Grammatik zu über-
    listen. Störende Gedanken über den richtigen Gebrauch von
    Präpositionen und Artikeln entfallen wie auch das Nach-
    denken über die korrekte Deklination. Statt »Mit den Plätzen
    hatten wir großes Glück« sagt man: »Platzmäßig hatten wir
    großes Glück.« Mäßig ist schnell und bequem. Die Ab-
    stumpfung hat gesiegt.
    Nicht einmal das Militär ist gegen die sprachliche Unter-
    wanderung geschützt: So war von einem General zu lesen,
    der sich redlich Mühe gab, die Sorge zu zerstreuen, »dass si-
    cherheitsmäßig ganz Afghanistan aus der Balance geraten
    könnte«.
    »Wichtig ist jetzt erst einmal, überhaupt die Bereitschaft
    hinzubekommen, sich auf unsere Bedingungen diskussions-
    mäßig einzulassen«, beschwor derweil eine Grünen-Politi-
    kerin − vermutlich vergebens − die diskussionsresistente In-
    dustrie.

    Psychologen wissen: »Eine kopfmäßige Überzeugung führt
    noch lange nicht zu einer Bewusstseinsänderung oder Än-
    derung der Wertmaßstäbe«, und mancher heutige Ober-
    klassenwagenbesitzer erinnert sich lächelnd, dass er sich in
    den Siebzigern »automäßig für einen knallbunten R4 ent-
    schieden« habe. Ach ja, die goldenen Siebziger! Würde Hans
    Rosenthal noch leben und bei »Dalli Dalli« in die Luft sprin-
    gen (»Das war

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