Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
einen gemütlichen Spaziergang zu unternehmen. Sollten Sie dabei einen Zug sehen, können Sie rufen: »Nun brat mir einer einen Zwiebelfisch: Die Bahn kommt!«
Das Elend mit dem Binde-Strich
»Herr Doktor, mir geht es gar nicht gut«, jammerte das Strich-Männchen. »Ich habe Verdauungs-Probleme, Magen-Schmerzen und Kopf-Weh. Hinzu kommen Vitamin-Mangel, Schlaf-Defizit und Arbeits-Stress.« Der Arzt nickte mitleidig und notierte dann: »Schwerer Fall von Koppelitis!«
Eines der besonderen Merkmale der deutschen Sprache ist die Fähigkeit, durch Zusammensetzung von Wörtern neue Begriffe entstehen zu lassen. Aus Sport und Platz wird Sportplatz, aus Dampf und Schiff wird Dampfschiff, aus Auto und Bahn wird Autobahn. Dies gilt nicht nur für zwei Wortteile, sondern für beliebig viele: Sportplatztribüne, Dampfschifffahrtsgesellschaft, Autobahnraststättenbetreiber. Irgendwann droht so ein Wort allerdings unleserlich zu werden, und für diesen Fall empfiehlt sich dann die Verwendung eines Bindestrichs: Sportplatztribünen-Hinterausgang, Dampfschifffahrtsgesellschafts-Vizechef, Autobahnraststättenbetreiber-Ehepaar.
Die Lesbarkeit sollte neben der Verständlichkeit stets oberste Maxime beim Schreiben sein. Eine Wortkette aus mehr als 30 Buchstaben erweist sich für das lesende Auge bisweilen als Stolperstein und führt zu Irritationen. Ein sinnvoll gesetzter Bindestrich kann Abhilfe schaffen und den Lesefluss verbessern. So weit – so gut.
Manche Menschen halten den Bindestrich allerdings für die coolste Sache seit Seligsprechung des Apostrophs in »Hertha’s Bierstübchen«. Sie setzen ihn geradezu verschwenderisch, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. »Sieht irgendwie besser aus«, lautet eine der häufigsten Begründungen. So entstehen zerrupfte Gebilde wie Atom-Krieg, Jahrhundert-Flut, Gedenk-Veranstaltung und Ausnahme-Zustand: Wortzusammensetzungen, die nur noch Wort-Zusammensetzungen sind. Selbst Miniwörter werden noch zu Mini-Wörtern zerbindestricht: Partei-Tag, Spar-Plan, Golf-Platz, Seh-Test. Der Bindestrich wird dabei seinem Namen immer weniger gerecht; denn er trennt mehr, als dass er bindet. Deshalb heißt er in der Druckersprache wohl auch Divis.
Wie in vielen anderen Bereichen hat die Rechtschreibreform auch in puncto Bindestrich die Regeln gelockert. Durften ehedem nur Zusammensetzungen aus mindestens vier Wortgliedern gekoppelt werden, so kann inzwischen auch bei drei oder nur zwei Wortgliedern ein Divis eingefräst werden, sofern dies der Lesbarkeit dient. Koppelungen in Wörtern wie Umsatzsteuer-Tabelle und Lotto-Annahmestelle sind erlaubt. Dennoch ist die Rechtschreibreform keine Rechtschreib-Reform.
Wer darin ein Signal zum vollständigen Verzicht auf Zusammenschreibung zu erkennen glaubte, hat das Regelwerk gründlich missverstanden. Was wiederum nichts Außergewöhnliches ist, denn wer könnte schon von sich behaupten, die Rechtschreibreform verstanden zu haben?
Natürlich gibt es nach wie vor bestimmte Fälle, in denen der Bindestrich angebracht ist. Die berühmte Tee-Ernte, die als Teeernte aussieht, als hätte die »e«-Taste geklemmt, ist so einer; die Schwimm-Meisterschaft ein weiterer. Grundsätzlich ist festzuhalten: Ein Bindestrich ist immer dort willkommen, wo es gilt, ein Missverständnis zu vermeiden oder einen Bestandteil hervorzuheben; er dient also dem Ziel, Klarheit zu schaffen.
Allein: Wie Sätze im Sinne des Klaren schaffen, wo Bindestrichlücken in Scharen klaffen? Sind Wörter wie »Atomwaffenarsenal«, »Uranmunition« und »Verkehrschaos« zu komplex, um zusammengeschrieben zu werden? Ist der durchschnittlich geübte Leser mit dem Wort »Antiterrorkomitee« bereits überfordert? Kann unser Gehirn nur ein »Anti-Terror-Komitee« erfassen und verstehen? Manche Schreiber muten ihren Lesern statt Kraftnahrung nur Bröckchen-Kost zu. Doch vielleicht unterschätzen sie sie. Zu welch erstaunlichen Leistungen unser Hirn im Stande ist, beweist jener Text, der unlängst in mehreren Varianten im Internet kursierte:
Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid, das Ezniige, was wcthiig ist, ist, dsas der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion sehten. Der Rset knan ttoaelr Bsinöldn sien, todzterm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Das legit daarn, dsas wir nihct jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als Gnaezs.
Wenn Sie den Text trotz aller orthografischen
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