Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Kapriolen lesen konnten, dann ist Ihr Hirn auch in der Lage, mit einem Antiterrorkomitee fertig zu werden. Buchstäblich, nicht wörtlich.
Um es bildhaft auszudrücken: Wo ein Bindestrich steht, da holt das Auge gewissermaßen Luft. Um bei längeren Wortketten nicht aus der Puste zu kommen oder um ein Element besonders zu betonen, ist das Luftholen eine sinnvolle Sache. Doch in einem Text, in dem Auto-Bombe, Polizei-Einsatz, Verkehrs-Chaos und Rettungs-Maßnahmen gekoppelt stehen, fängt das Auge vom vielen Luftholen förmlich zu japsen an.
Besonders hässlich ist es, Wörter auseinander zu reißen, die über ein so genanntes Fugen-s verfügen. Denn dieses »s« erfüllt ja bereits die Funktion eines Bindezeichens: Botschaft s gebäude, Regierung s kurs, Entwicklung s hilfe, Krieg s maschinerie und Zeitung s ente sind Zusammensetzungen, mit denen das Auge spielend fertig wird. Botschafts-Gebäude, Regierungs-Kurs, Entwicklungs-Hilfe, Kriegs-Maschinerie und Zeitungs-Ente erwecken den Eindruck, die deutsche Sprache gehe am Stock. Texte werden nicht lesbarer, sondern verkommen grafisch zu einer trostlosen Strich-Landschaft.
Manch einer meint vielleicht, dass Zusammensetzungen mit Namen grundsätzlich auseinander geschrieben werden. Doch das kann nur behaupten, wer beim Monopoly noch nie an der Goethestraße oder der Lessingstraße ein Hotel gebaut hat. Die fürs Deutsche so charakteristische Tendenz zur Zusammenschreibung nimmt auch Namen nicht aus. Verbindungen mit einem Personennamen oder einem geografischen Namen, die ihren Platz in der Geschichte gefunden haben, werden zusammengeschrieben: Bachkantate, Marshallplan, Adenauerzeit, Vietnamkrieg. Was jünger oder weniger bekannt ist, darf getrost noch gekoppelt werden: Webber-Musical, Hartz-Pläne, Kohl-Ära, Irak-Krieg. Die Zeit wird zeigen, ob diese Begriffe dauerhaft zusammenwachsen oder wieder in ihre Einzelteile zerfallen. Beim Irak-Krieg lässt sich schon heute eine starke Neigung zur Zusammenschreibung feststellen. In die Geschichtsbücher wird er wohl als Irakkrieg eingehen.
Wenn Vereine, Organisationen, Firmen und Marken im Spiel sind, dann kann der Name mit einem Bindestrich hervorgehoben werden: Tempo-Taschentuch, Golf-Händler. Wenn aber kein Teil des Wortes hervorgehoben werden soll, besteht auch kein Grund, einen Bindestrich zu setzen. Bei Tempolimit oder Golfschläger ist das Divis schlichtweg überflüssig.
Immer wieder appelliert irgendjemand an die Volksgesundheit, die Moral oder die Vernunft mit Aufrufen wie »Deutsche, treibt mehr Sport!« oder »Deutsche, esst mehr Schweinefleisch!«. Der Bundesverband der Fachärzte gegen Bindestrichmissbrauch empfiehlt: »Deutsche, schreibt mehr zusammen!«
Der Bindestrich (Divis), nicht zu verwechseln mit dem (längeren) Gedankenstrich, erfüllt die Funktion einer Lesehilfe. Bei Zusammensetzungen mit Fremdwörtern gilt: Der Bindestrich dient zur Hervorhebung des Unbekannten, Unerwarteten, Ungewöhnlichen. Für viele deutschsprachige Menschen sind Wörter wie Computer, Internet und online heute nichts Ungewöhnliches mehr, sodass sie in Zusammensetzungen wie Computerbranche, Internetfirma und Onlinedienste auf den Bindestrich verzichten. Dies entspricht durchaus dem Prinzip der deutschen Sprache: Wortzusammensetzungen, die sich bewährt haben, werden als ein Wort geschrieben. Zusammensetzungen mit Fachfremdwörtern, die noch keinen festen Platz im deutschen Wortschatz haben, dürfen/sollten gekoppelt werden: Remote-Rechner, Viren-Patch, Consulting-Unternehmen.
Die Sucht nach Synonymen
Unter Journalisten ist ein Sport besonders beliebt: die Jagd auf Ersatzwörter. Gesucht werden einprägsame Stellvertreter und dynamische Platzhalter, die dem Text eine Extraportion Curry verleihen. Die Verwendung von Synonymen ist in manchen Ressorts so unverzichtbar wie der Reifenwechsel in der Formel 1.
Jedes Kind weiß, dass Michael Schumacher aus Kerpen stammt und Jan Ullrich in Rostock geboren wurde. Seltsamerweise weiß kaum jemand, wo Angela Merkel, Edmund Stoiber und Gerhard Schröder das Licht der Welt erblickten oder aufgewachsen sind. Haben Profisportler einen höheren Bekanntheitsgrad als Spitzenpolitiker? Das kann nicht sein, wie Umfragen bestätigen. Immerhin geben sich die PR-Berater von Merkel, Stoiber und Schröder alle Mühe, ihre »Schützlinge« bekannt und populär zu machen, und wenn man sich die Nachrichten anschaut, dann sieht man Schröder, Stoiber und Merkel auch immer als Erstes; Schumacher und
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