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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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nach wie vor die vollständige Form »feiere« zu bevorzugen. Denn wer 2,95 Euro für eine hübsch bedruckte Karte ausgibt, der sollte nicht plötzlich am »e« sparen.
    Falsch ist allein die Form mit Apostroph (feier’). Beim Wegfall des Endungs-»e« wird nie ein Apostroph gesetzt, auch nicht im Imperativ.

Das gefühlte Komma
    Dass die Orthografie nicht jedermanns Sache ist, ist bekannt. Noch weniger Freunde aber hat die Zeichensetzung. Die meisten Kommas werden nicht nach Regeln, sondern nach Gefühl gesetzt. Und Gefühle können trügen. Schlimmer als fehlende Kommas sind Kommas an Stellen, wo sie nicht hingehören. Und davon[,] gibt es leider sehr viele.
    »Aus gegebenem Anlass, erinnere ich Sie erneut daran, dass das Aufrufen von Internet-Seiten mit pornografischen Inhalten während der Dienstzeiten nur im Notfall gestattet ist.« So steht es in einer Rund-Mail zu lesen, die der Chef eines Hamburger Unternehmens kürzlich an seine Mitarbeiter verschickte. Und dies ist, allerdings, ein Notfall!
    Denn da hat sich ein Vorgesetzter in verantwortungsvoller Mission völlig unprofessionell von seinen Gefühlen hinreißen lassen und ein Komma aus dem Bauch heraus gesetzt! Ganz gleich, wie der »Anlass« ausgesehen haben mag, der ihn zu seiner E-Mail inspirierte, es gibt keinen Grund, ihn mittels eines Kommas vom Rest des Satzes abzutrennen. Die drei Wörter »Aus gegebenem Anlass« bilden keinen Nebensatz, und es handelt sich auch nicht um eine nachgestellte Erläuterung oder einen Einschub. Tatsächlich ist »Aus gegebenem Anlass« eine adverbiale Bestimmung und gehört als solche zum Hauptsatz.
    Adverbiale Bestimmungen nennt man diese vielen kleinen Zusatzinformationen im Satz, die etwas über Art und Weise, Ort, Zeitpunkt und Grund einer Handlung aussagen und mit »wie«, »wo«, »wann« und »warum« erfragt werden können. Da sie nicht nur aus einzelnen Wörtern, sondern auch aus ganzen Wortgruppen bestehen können, werden sie häufig mit Nebensätzen verwechselt. Man fühlt, dass hier vielleicht womöglich irgendwie ein Komma hingehören könnte – und schon ist es passiert. Das geschieht zum Beispiel besonders häufig bei Sätzen, die mit »nach« beginnen:
    »Nach endlosen Debatten und immer neuen Änderungsvorschlägen, gaben die Vermittler schließlich erschöpft auf und verließen die Sitzung.« Zugegeben, der Satz ist nicht gerade kurz, aber das allein rechtfertigt nicht, ihn aufs Geratewohl irgendwo in der Mitte aufzuschlitzen. Das Komma vor »gaben« ist falsch, daran ändern auch endlose Debatten und immer neue Vorschläge nichts.
    Adverbiale Bestimmungen können sogar noch um einiges länger sein und werden trotzdem nicht mit einem Komma vom Satz abgetrennt: »Einen Tag nach dem Absturz einer ägyptischen Chartermaschine über dem Roten Meer, tauchen erste Hinweise auf schwere Sicherheitsmängel bei der Airline auf.« Auf der gekräuselten Stirn des Grammatikfreundes tauchen indes ernste Zweifel an der Notwendigkeit des Satzzeichens vor »tauchen« auf.
    Gefühlte Kommas verunstalten Zeitungsartikel, Briefe, E-Mails und öffentliche Hinweise: »Außerhalb der Sommermonate, ist das Café nur bis 16 Uhr geöffnet«, steht auf einem Schild an einem Ausflugslokal am See. Es ist nicht schwer, sich auszumalen, wie so ein Schild entsteht. Der Erwin malt es und ruft dann seine Roswita »zum Gucken«. Roswita kommt und guckt, und weil sie meint, dass sie irgendetwas dazu sagen müsse, sagt sie: »Da fehlt noch was.« – »Wat denn?«, fragt Erwin. »Weiß nich’«, sagt Roswita, »aber irgendwas fehlt, das spür ich genau.« – »Also, der Strich über Café kann’s nicht sein, der ist da, wie du siehst.« – »Nee, das mein ich auch nich’. Irgendwas anderes. Ein Komma oder so.« – »Ein Komma? Wo denn?« – »Da, wo die Stimme beim Lesen hochgeht, da muss ein Komma hin.«
    Erwin liest den Text des Schildes noch einmal laut vor, allerdings ohne die Stimme an irgendeiner Stelle anzuheben. »Du liest das falsch«, sagt Roswita. »Außerhalb der Sommermona- tee … « Sie zieht das e in die Länge wie ein Gummiband und hebt die Stimme, als wollte sie singen. Dann macht sie eine bedeutungsvolle Pause und sieht Erwin an. »Hier, meinst du?«, fragt er. Roswita nickt. Also nimmt Erwin den Stift und malt ein Komma hinter die Sommermonate. Doch wir ahnen es längst: Mit ihrem Gefühl lag Roswita falsch. Zwar stimmt es, dass das Komma oft dort zu finden ist, wo die Satzmelodie ihren Höhepunkt erreicht.

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