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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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als mickrig abgetan. »Volle« wäre treffender, da es »nicht weniger als« bedeutet und 15 Zentimeter gewachsenes Metall immerhin eine ganze Menge sind.
     
    Dass »voll« mehr sein kann als »ganz«, bekommt man gelegentlich am eigenen Leibe zu spüren. Ist es wirklich eine Auszeichnung, als »ganz in Ordnung« zu gelten? Das klingt eher nach einer drei minus. Erstrebenswerter scheint es doch, »voll in Ordnung« zu sein.
    13 Bei »Asterix« heißt es: »Ganz Gallien ist von den Römern besetzt«. Aber das kommt aufs Gleiche heraus.

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    der Butter, die Huhn, das Teller
    der, die, das, wer, wie, was? Die Verwirrung der Geschlechter ist nicht nur ein gesellschaftliches Thema, sondern auch ein sprachliches. Heißt es die Krake oder der Krake? Ist Python männlich oder weiblich? Trinken Sie ein Cola und lesen Sie das »Zwiebelfisch«!
    »Chéri, bitte, ’ilfst du mir mit die Kleid?«, fragt mich meine Freundin Suzanne, als sie mir die Tür öffnet. »Du hast Nerven«, sage ich tadelnd, »die Oper beginnt in einer halben Stunde, und du bist immer noch nicht angezogen!« Suzanne zuckt mit den Schultern: »Isch kann misch einfach nischt entscheiden. Soll isch die rote Kleid oder die champagner Kleid anziehen – was meinst du?« – »Champagner klingt doch gut«, murmele ich, »wo steht er?« – »Crétin, isch rede von die Kleid! Aber wenn du was trinken willst, da neben die Stuhl steht eine Flasche Sauvignon!«
    Ich mag französischen Wein, französischen Käse, französische Musik – und ganz besonders mag ich den französischen Akzent. Wie bei Suzanne. Ihre Art, die deutschen Artikel durcheinanderzuwirbeln, klingt für mich wie Poesie. Die Kleid, die Stuhl, der Auto – darüber kann ich mich stets aufs Neue amüsieren. Die unheilige Dreispaltigkeit des grammatischen Geschlechts im Deutschen bringt jeden, der unsere Sprache lernt, früher oder später an den Rand der Verzweiflung. Und auch die Deutschen selbst geraten zwischen männlichem, weiblichem und sächlichem Geschlecht immer wieder ins Straucheln. Denn was meine französische Freundin Suzanne kann, das kann meine deutsche Freundin Sibylle schon lange.
     
    Jeden Samstag bringt Sibylle ihre leeren Flaschen zum Supermarkt, um sich »den Pfand« abzuholen. Für sie ist dasPfand männlich. Zwecklos, sie von etwas anderem überzeugen zu wollen. Dafür ist das Motorfahrrad bei ihr weiblich: »Was, du hattest als Schüler keine Mofa? Das kann ich gar nicht glauben. Jeder, der cool war, hatte eine Mofa.« Tatsache ist, dass ich ziemlich uncool war. Das Einzige, was mich an Mofas interessierte, war ihr Genus. Sibylles Stärken liegen eher beim Genuss als beim Genus. »Jetzt musst du das Crème fraîche drunterrühren«, sagt sie beim Kochen zu mir. Und als sie feststellt, dass sie das Rezept offenbar nicht ganz richtig abgeschrieben hat, bittet sie: »Kannst du mir mal eben das Radiergummi geben?« Für Sibylle ist der Radiergummi nämlich sächlich. der Kaugummi natürlich auch.
     
    Damit steht sie übrigens nicht allein. Viele Deutsche wei-sen bestimmten Dingen ein anderes Geschlecht zu, als es im Wörterbuch angegeben ist. Im Wörterbuch steht zum Beispiel, dass das Wort »Puder« männlich sei: der Puder. Trotzdem sagen viele »das Puder« – möglicherweise in Analogie zu Pulver, da Puder und Pulver nicht nur ähn- lich klingen, sondern auch ähnlich beschaffen sind. Ein weiterer Fall dieser Art ist »die Geschwulst«, die oft säch-lich gebraucht wird – weil sie an »das Geschwür« denken lässt.
     
    Am größten ist die Verwirrung der Geschlechter natürlich bei Fremdwörtern. Woher soll man zum Beispiel wissen, dass »Python« ein männliches Hauptwort ist? Es kommt aus dem Griechischen, und Griechisch haben die wenigs-ten Deutschen drauf. In solchen Fällen hilft man sich für gewöhnlich mit Analogien – sucht also nach vergleichbaren Wörtern. Und da der Python eine Schlange und die Schlange weiblichen Geschlechts ist, erscheint es eigentlich logisch, dem Python einen weiblichen Artikel voranzustellen – andere Schlangenarten wie Boa, Viper und Natter sind schließlich ebenfalls weiblich. Doch weder der Biologie-lehrer noch der Deutschlehrer würden »die Python« durchgehen lassen.
     
    Auch der Krake ist eindeutig männlich – und wird dennoch von vielen als weiblich angesehen. So auch von Sibylle. »Es heißt entweder die Krake oder der Kraken«, behauptet sie. »Ich hab’s doch gerade erst in ›Fluch der Karibik 2‹ gesehen, da

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