Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
Eroberer brachten sie Mitte des 16. Jahrhunderts nach Europa, wo sie unter dem Namen Patata (eine Entlehnung aus der haitianischen Indianersprache) zunächst als Zierpflanze gezogen wurde.
Es dauerte rund 200 Jahre, ehe man ihren Nährwert erkannte und sie als Nutzpflanze anbaute. Über Spanien und Italien breitete sich die Kartoffel langsam nach Norden aus. Einige Sprachen übernahmen die spanische Bezeichnung Patata; im Englischen zum Beispiel wurde sie zu Potato abgewandelt. Andere Sprachen schufen eigene Namen. Die Italiener hielten die Kartoffel anfangs für eine Art Trüffel und nannten sie daher tartufolo. Unter diesem Namen gelangte das Nachtschattengewächs im 18. Jahrhundert nach Sachsen und Preußen, wo es zu Tartuffel und schließlich Kartoffel eingedeutscht wurde. Im deutschsprachigen Süden gab man ihm den Namen Erdapfel, eine in der Schweiz und in Österreich noch heute übliche Bezeichnung. Auch im Französischen (pomme de terre) und im Niederländischen (aardappel) hat sich der Erdapfel durchgesetzt. Manche aber sahen in der Kartoffel eher eine Birne. Im rheinhessischen und pfälzischen Dialekt wird die KartoffelKrumbeer, Grumbeer oder Grumbier genannt, was nichts mit krummen Beeren zu tun hat, sondern »Grundbirne« bedeutet. Dieser Name wurde sogar erfolgreich exportiert: Im Kroatischen heißt die Kartoffel »Krumpir«. Und die Tschechen sagen »Brambora«, das heißt »Brandenburgerin«, da die Kartoffel aus Brandenburg nach Böhmen gelangt war. Ältere Österreicher kennen noch den Begriff »Brambori« als Bezeichnung für Kartoffeln, die nichts taugen.
Inzwischen hat Henry sich mit großem Appetit über seine »Perlhuhnbrust gefüllt mit Mozzarella an glasierten Kirschtomaten und Maisplätzchen« hergemacht. »Nun ist Schluss mit dem Brimborium um deine Brambori«, sagt er, »fang endlich an zu essen!« Ich betrachte glücklich die goldgelben Erdäpfel auf meinem Teller. Möglicherweise aufgrund ihrer rundlichen Form, die mütterliche Assoziationen weckt, und sicherlich auch wegen ihrer besonderen Nahrhaftigkeit wurde die Kartoffel als eine weibliche Frucht angesehen. Dies spiegelt sich nicht nur im Geschlecht des Wortes Kartoffel wider, sondern auch in den Namen, die man den diversen Züchtungen gab: Sieglinde, Bintje, Camilla, Gloria, Linda, Nicola, Rosara oder Selma.
»Von mir aus können wir das nächste Mal in den ›Kartoffelkeller‹ gehen«, schlägt Henry vor. »Da kannst du so viele Kartoffeln essen, wie du magst.« – »Prima«, sage ich, »das hört sich gut an!« – »Also abgemacht. Wie wär’s mit Freitag?« – »Am Freitag habe ich bereits eine Verabredung.« – »Oh, ich gratuliere! Mit einer festkochenden Linda oder einer mehligkochenden Karlena?« – »Sie heißt Suzanne und hat zum Glück nichts von einer Kartoffel«, sage ich. »Nicht einmal an den Stellen, wo’s gern ein bisschen mehr sein darf?«, fragt Henry besorgt. Ich lege die Serviette beiseite und entgegne: »Der Gentleman genießt und schweigt.«
Regionale Bezeichnungen für die Kartoffel
Land/Region
Tartuffel/Kartoffel
Sachsen, Preußen
Krumbeer/Grumbeer/Grumbier/Krumbiere
Rheinhessen, Pfalz
Grombiera/Grumbiera
Äbbiera/Ebbiera
Schwaben
Podaggn/Potacken/Bodaggen
Ebbien/Äbbjen
Erpfel
Franken
Estepl
Tschechien
Kartuffel
Westfalen
Tüfften
Mecklenburg
Nudel
Uckermark
Bodabira
Oberallgäu
Aper/Aber
Oberlausitz
Erdapfel
Schweiz, Österreich
Krumpan
Österreich
Krumpir
Kroatien
Brambora/Brambori
Tschechien, Österreich
Iárdappel
Grummpien
Rumänien
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Als ich noch der Klasse Sprecher war
Wieso wird der Stich einer Biene nicht Bienestich genannt? Und warum spricht man vom Gitarrensolo, wenn doch nur eine einzelne Gitarre zu hören ist? Die deutsche Sprache hat immer ein paar Buchstaben parat, um Fugen zwischen Wörtern zu füllen. Einige Menschen verzichten jedoch auf Fugenzeichen und verwenden lieber Fuge-Zeichen.
Auf einem jener Reklameblätter, die trotz »Keine Werbung!«-Aufklebers immer wieder in meinem Briefkasten landen, wurden unlängst »gebrauchte Oberklassewagen zu günstigen Preisen« angepriesen, und das machte mich stutzig. Als ich zehn oder elf war, wurde ich mal zum Sprecher der Klasse gewählt, das nannte man damals Klassensprecher. Mit einem »n« in der Mitte. Dieses »n« kennzeichnete nicht etwa einen Plural, denn ich war ja nicht Sprecher mehrerer Klassen, sondern nur einer einzigen Klasse. Trotzdem hieß es nicht Klassesprecher, obwohl ich zweifellos ein klasse
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