Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
haben sie’s erklärt!« Leider hat sich Sibylle wie so oft gerade die falsche Antwort gemerkt. Aber so etwas passiert uns allen. Ich selbst musste mir erst vor Kurzem sagen lassen, dass es nicht »die Paprika« heiße, sondern »der Paprika«. Ich habe daraufhin im Wörterbuch nachgeschlagen: beides ist erlaubt (siehe auch Tabelle ab S. 161).
Einige Wörter treten sogar in drei Geschlechtsvarianten auf. »Triangel« zum Beispiel. Das dreieckige Schlaginstrument kann sowohl »die Triangel« genannt werden als auch »der Triangel«, und in Österreich heißt es »das Triangel«. Und wie steht’s mit dem Wort Joghurt? Das ist standardsprachlich männlich (der Joghurt), kann aber auch sächlich sein (das Joghurt). Das ist eigentlich schon kompliziert genug – aber nicht für Sibylle. Sie sagt »die Joghurt«, und darin lässt sie sich auch nicht beirren: »Probier mal diese Joghurt, die ist echt lecker!« Und als sie noch auf Partys ging, da hat sie auch mal »die eine oder andere Zigarillo« geraucht. Allerdings, so räumt sie ein, sei ihr davon regelmäßig schlecht geworden.
Hauptsächlich sind es die zahlreichen englischen Fremdwörter, die bei der Einbürgerung Probleme bereiten. Die englische Grammatik behandelt alle Dinge sächlich, doch bei der Übernahme ins Deutsche bekommen diese Dingeoft ein männliches oder weibliches Geschlecht. Meistens orientiert man sich dabei an der deutschen Entsprechung. Weil »mail« Post bedeutet und »Post« im Deutschen weiblich ist, sagen die meisten Deutschen »die E-Mail«. der »Brief« hingegen ist männlich, sodass »der Newsletter« einen männlichen Artikel bekommen hat. Dieses Prinzip lässt sich aber nicht immer anwenden. Oft übernehmen wir Wörter aus dem Englischen, für die es keine deutsche Entsprechung gibt – und folglich auch keine Geschlechtsvor-gabe.
Außerdem wird dieses Prinzip auch nicht überall angewandt. Im süddeutschen Raum sowie in Österreich und der Schweiz wird der sächliche Artikel bevorzugt. Dort heißt es »das Mail«, und wer in Bayern eine Cola bestellt, der bekommt »ein Cola«. Wenn in der Schweiz eine Straßenbahn durch einen Tunnel fährt, dann fährt »das Tram« durch »das Tunell« – mit Doppel-l statt Doppel-n.
Man braucht aber gar nicht so weit nach Süden zu gehen, die Verwirrung der Geschlechter beginnt bereits viel wei-ter nördlich – auf hessischen Bauernhöfen zum Beispiel. In der Rhön ist das Huhn keinesfalls sächlich, sondern weiblich. Auch das entbehrt nicht einer gewissen Logik, denn das Huhn ist schließlich das weibliche Pendant zum Hahn. Während die Kartoffel in der osthessischen Mundart männlich ist, ist die Butter im Schwäbischen männlich (»d’r Budder«). Und der Teller ist sächlich (»d’s Deller«). der Butter und das Teller, auch das ist Deutschland. Die Petersilie treibt es besonders bunt, die ist in osthessischer Mundart sächlich (»doas Pädersille«) und im Bairischen männlich: »da Bädasui«. Und woraus sind schwäbische Osterhasen gemacht? Nicht aus weiblicher Schokolade, sondern aus männlichem »Schogglaad«! derlei Kurioses findet man natürlich auch im Badischen, im Saarländischen, im Fränkischenund im Sächsischen. Mit dem allmählichen Rückgang der Dialekte geht freilich auch die Vielfalt bei der Geschlechterverteilung verloren.
»Tust du mir noch einen kleinen Kartoffel und etwas von dem Butter auf das Teller, Chéri?«, bittet mich Suzanne, als wir nach der Oper noch zusammen eine Kleinigkeit essen. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen; Suzanne blickt mich irritiert an: »‘Abe isch etwas Falsches gesagt?« – »Nein, nein«, erwidere ich, »alles bestens! Ein Schwabe hätte es nicht besser sagen können!«
Hauptwörter mit schwankendem Genus
Baguette
standardsprachlich das , seltener auch die
Bast
standardsprachlich der , mundartlich auch das
Blackout (auch Black-out)
standardsprachlich das oder der
Blog
standardsprachlich das , seltener auch der
Bonbon
der oder das , österreichisch nur das
Bossa nova
fachsprachlich die , standardsprachlich der
Brezel
standardsprachlich die , österreichisch auch das (in Bayern: die Brezn)
Butter
standardsprachlich die , mundartlich der
Carport
standardsprachlich der , häufig auch das
Cola
standardsprachlich die , in Süddeutschland das
Countdown
standardsprachlich der oder das
Crème fraîche
standardsprachlich die , seltener auch das
Curry
standardsprachlich der , seltener auch das
Dress
standardsprachlich
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