Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 3
»standardsprachlich«, das ich relativ häufig gebrauche. Vielleicht mag sie keinen Sprachstandard. Dann müsste sie sich allerdings selbst hassen. Das wäre ein Treppenwitz der Sprachgeschichte.
Viele nutzen beim Schreiben auch die schnellen Recherchemöglichkeiten, die das Internet bietet. Wer zum Beispiel nicht sicher ist, wie man das Wort »Matratze« schreibt, kann den Publikumsjoker einsetzen und das Wort in allen Varianten googeln: Für die (korrekte) Schreibweise mit »tz« werden ihm 3.590.000 Treffer angezeigt, für die Schreibweise »Matraze« nur 239.000 Treffer: ein eindeutiges Votum der recht- und schlechtschreibenden Internetgemeinde. Der Ratsuchende erhält von Google zusätzliche Hilfe, denn über der Liste mit der geringeren Trefferzahl erscheint die automatisch erstellte Frage: »Meinten Sie ›Matratze‹?« So wird er sanft in die richtige Richtung gelenkt.
Natürlich sind die von Google gelieferten Ergebnisse nicht in jedem Fall verlässlich. Mitunter können sie genauso in die Irre führen. Wer nicht weiß, ob die Mehrzahl von »Story« im Deutschen nun »Storys« oder »Stories« geschrieben wird, dem wird Google nicht helfen, denn im Internet überwiegt selbstverständlich der englische Plural auf -ies, für die korrekte deutsche Form (Storys) findet man deutlich weniger Referenzstellen. Und die automatische Frage »Meinten Sie ›Stories‹?« lockt den Suchenden erst recht auf die falsche Fährte. Langfristig werden Internetmaschinen wie Google dazu beitragen, dass die Orthografie von Namen und Fremdwörtern immer stärker internationalisiert wird. Nationalspezifische Formen verschwinden zugunsten der internationalen Mehrheitsschreibweise. Noch zeigt Google 9,6 Millionen Treffer für »Mailand« an, aber auf bereits knapp 4 Millionen deutschsprachigen Internetseiten ist »Milano« zu finden.
Die restlichen Fragen klärt die Worterkennung der Mobiltelefone. Man braucht beim Schreiben einer SMS nur drei Buchstaben einzugeben, dann ergänzt das Programm das Wort eigenständig. So entstehen interessante Mitteilungenwie: »HALLO, ICH KÖNNE HEUTE ETWAS SPÄTER. WARTE NICHT MIT DEN ESSEN AUF MICH!« Einmal wollte ich das Wort »Pustekuchen« verschicken, und plötzlich stand im Display PURBERGSTRASSE. Ich kenne keine Purbergstraße und wollte das Wort löschen, doch in meiner Verwirrung habe ich stattdessen auf »versenden« gedrückt. Es hat mich ein zehnminütiges, teures Telefonat gekostet, um das Missverständnis aufzuklären.
Ich will nicht wissen, wie viele sinnlose Nachrichten auf diese Weise schon verschickt worden sind. Es müssen Zigtausende jeden Tag sein. Daneben erscheint die Frage, ob man nun »Portemonnaie« oder »Portmonee« schreibt, geradezu belanglos. Man kann sich freuen, wenn das Handy nicht PORTOMODERNE draus macht.
Kann sich die Geschichte wiederholen? Im Jahre 1901 hatte es schon einmal eine Reform der deutschen Rechtschreibung gegeben, die aus nichts anderem als Kompromissen zu bestehen schien. 1905 bemerkte Konrad Duden im Vorwort zur achten Auflage seines Wörterbuches: »Zwar hat man überall das von der Orthographischen Konferenz Geschaffene als zu Recht bestehend anerkannt, weder sind neue Reformvorschläge ans Licht getreten, noch hat man auf seiten der Gegner jeder Reform durch aktiven und passiven Widerstand das Werk zu hemmen versucht: es gilt unbestritten überall. Und doch würde man irren, wenn man glaubte, die ›Orthographische Frage‹ sei mit der Herausgabe der von den Regierungen aufgrund der Konferenzbeschlüsse veröffentlichten amtlichen Regelbücher glücklich zur Ruhe gelangt; sie ist vielmehr für verschiedene Kreise wieder lebhaft in Fluß gekommen. [...] Das Ergebnis der Orthographischen Konferenz von 1901 war nur dadurch zustande gekommen, daß die Anhänger verschiedener Richtungen sich gegenseitig Zugeständnisse machten.Das geschah meistens durch Zulassung von Doppelschreibungen.«
Entweder hatte ich eben ein ganz starkes Déjà-vu, oder Konrad Duden war nicht nur Herausgeber eines Wörterbuchs, sondern nebenbei auch noch das Orakel von Delphi. Oder schreibt man das jetzt Delfi?
Glücklich zur Ruhe gelangt oder wieder lebhaft in Fluss gekommen: quo vadis, deutsche Rechtschreibung? Die Kultusminister waren sich bei der Verabschiedung des Gesetzes einig, dass die Reform in ihrer jetzigen Fassung endgültig und unwiderruflich sei. Von »Ruhe« war die Rede, von einem »Rechtschreib-Frieden« sogar, doch ob es einen
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