Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
dem Land, aber nicht auf demselben, jeder eben auf seinem, was aber nicht verschiedene Lande sind, auch nicht verschiedene Länder, sondern bestenfalls verschiedene Ländereien. Bei der Erklärung dieses Pluralphänomens ist nicht nur Holland in Not, sondern für uns alle sprachlich schnell Land unter!
Bei »Land unter« muss ich an einen Schulfreund denken, der mal bei einer Landpartie mit seinem Motorrad ins Rutschen geraten und in einer Schlammgrube gelandet ist. »Beide Auspüffe sind im Eimer!«, schimpfte er. Als ich vorsichtig andeutete, dass »Auspuff« im Plural nicht umgelautet würde, erwiderte er achselzuckend: »Dann eben beide Auspuffs. Ausgewechselt werden müssen sie so oder so!« Anmerkung
Meine Putzfrau schreibt mir immer auf kleine Zettel, welches Putzmittel wieder neu zu besorgen sei. Kürzlich stand auf einem solchen Zettel das Wort »Wischmopp«. Ich ahnte noch nicht, in welche Bedrängnis mich das bringen sollte! Wenige Tage später stand ich im Drogeriemarkt und blickte mich hilfesuchend um. Als ich endlich eine Verkäuferin ausmachte, eilte ich auf sie zu und fragte atemlos: »Entschuldigen Sie, wo finde ich … Haben Sie … Könnten Sie mir zeigen, wo Ihre Wischmoppe … Wischmöpp… äh …« Die Verkäuferin blickte mich verständnislos an: »Wie bitte?« Ich winkte verlegen ab: »Vergessen Sie’s, ich komme später noch mal wieder!« Auf dem Rückweg überlegte ich mir, welche Pluralform wohl die richtige sei: Wischmoppe? Wischmopse? Wischmöppe? Eines konnte ich immerhin ausschließen: Ganz bestimmt hieß es nicht Wischmöpse!
Der Blick ins Wörterbuch brachte Klarheit und zugleich Ernüchterung: Der Wischmopp kommt aus dem Englischen (»mop«), und die Mehrzahl lautet ganz einfach »Wischmopps«. Mag der Norddeutsche auch Köppe (= Köpfe) und Knöppe (= Knöpfe) zählen, in seinem Putzmittelschrank findet er keine Möppe. Das kann eher jemandem aus Nordrhein-Westfalen passieren, denn dort kennt man den »fiese Möpp« (eine regionale Bezeichnung für eine »unangenehme Person«). Und dort weiß man sicherlich auch: Ein »fiese Möpp« kommt selten allein! Dann sind es schon mal zwei … Möppe? Möppes? Möpper? Auf jeden Fall ganz schön fies, das alles!
Nach so viel anstrengenden Gedanken zum Plural haben wir uns ein Ruhepäuschen auf der Couch verdient, finden Sie nicht? Natürlich nicht auf derselben, sondern auf getrennten Couch… autsch! Das erinnert mich an einen Zwischenfall bei einem Auftritt in Hamburg. Ich stand auf der Bühne des St.-Pauli-Theaters und erzählte gerade etwas von unbequemen Fremdwörtern, da rief mir jemand aus dem Publikum zu: »Wie lautet die Mehrzahl von Couch?« Das war eine Frage, mit der ich mich bis zu jenem Zeitpunkt noch nicht befasst hatte, die aber durchaus ihre Berechtigung hat – und auf die es, wie so oft, mehr als eine Antwort gibt: Da es sich bei der Couch um ein Fremdwort handelt, wird die Mehrzahl ganz einfach durch Anhängen eines »s« gebildet: eine Couch, zwei Couchs. So empfiehlt es der Duden. Das Wort »Couchs« [kautschs] spricht sich allerdings weniger bequem, als man es von Polstermöbeln erwarten sollte. Wer keinen speichelfreien Mund hat, kann damit einen unerquicklichen Sprühregen verursachen. Ein anderes Wörterbuch, der Wahrig, schlägt daher die Pluralform »Couches« vor und empfiehlt dazu die englische Aussprache mit klingendem Endungs-»s«, also ungefähr »kautschisss«. Wem auch das nicht praktikabel erscheint, dem wird eine dritte Möglichkeit gewiesen. Die »Couch« hat zu lange in deutschen Wohnzimmern herumgestanden, um noch als exotisches Möbelstück fremdländischer Herkunft angesehen zu werden. Längst wird sie als deutsch empfunden, und entsprechend hat sie sich auch eine deutsche Mehrzahlendung verdient: Die Form »Couchen« ist daher ebenso zulässig wie »Couchs« oder »Couches«. Und jede Hausfrau weiß: Auf nagelneuen Couchen ist nicht gut Kissen-Knautschen!
Das alles aber habe ich erst später herausgefunden, lange nachdem mir im Theater die »Couch«-Mehrzahlfrage gestellt worden war. Seinerzeit musste ich mir eine andere Lösung einfallen lassen, um das Thema Couch von der Bühne zu bekommen. Und so riet ich dem Fragesteller: »Sagen Sie doch einfach Sofas!«
Muss eine Reihe von Ministern müssen?
Wer hat mehr Macht, wenn eine Menge Politiker im Spiel sind: die Politiker oder die Menge? Wer wird sich durchsetzen, wenn es um die Mehrheit der Arbeiter geht: die Arbeiter oder die Mehrheit?
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