Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
meinst du mit er «, fragte ich, »den Transatlantikliner? Den Dampfer?« – »Nein«, sagte Henry und seufzte: »Meinen Bauch!«
Weiteres zum grammatischen Geschlecht:
»Warum ist der Rhein männlich und die Elbe weiblich?« (»Dativ«-Band 2)
»Die Place, die Gare, die Tour?« (»Dativ«-Band 2)
» Der Butter, die Huhn, das Teller « (»Dativ«-Band 3)
Und zur Frage »Der, die oder das Nutella?«:
» Krieg der Geschlechter « (»Dativ«-Band 1)
Kann ein Wrack »erneut« sein?
Frage eines Lesers aus Pforzheim: Soeben stolperte ich über diese Überschrift auf »Spiegel Online«: »Silberschatz im Nordatlantik: Erneutes Wrack gefunden«. Ich wusste bisher nicht, dass ein Schiffswrack »erneut« sein kann?
Antwort des Zwiebelfischs: Bei Schiffen gilt in der Regel: einmal ein Wrack, immer ein Wrack. Der Mensch selbst ist da etwas flexibler: Da kann jemand zum Wrack werden (z. B. durch Alkoholmissbrauch), sich wieder erholen (durch einen Entzug) und abermals zum Wrack werden (durch einen Rückfall). Er wäre dann aber trotzdem kein »erneutes« Wrack, sondern höchstens »erneut ein Wrack«.
Wenn das Wort »erneut« attributivisch (d. h. vor einem Hauptwort stehend) gebraucht werden soll, dann geht dies nur mit Hauptwörtern, die aus einem Tätigkeitswort gebildet wurden, denn »erneut« ist ein Adverb:
die erneute Heilung (von: erneut heilen/geheilt sein)
der erneute Versuch (von: erneut versuchen/versucht haben)
der erneute Absturz (von: erneut abstürzen/abgestürzt sein)
Bei anderen Hauptwörtern geht dies nicht: Der wiedergewählte Kanzler ist zwar erneut Kanzler, aber er ist nicht »der erneute Kanzler«. Ebenso wenig ist wiedergewonnenes Trinkwasser »erneutes Wasser«, und wenn Günter Grass ein neues Buch vorlegt, hat er kein »erneutes Buch« geschrieben.
Daher gibt es auch kein »erneutes Wrack«, da das Wort »Wrack« nicht aus einer Tätigkeit abgeleitet ist. (Es sei denn, Sie beharren darauf, »Wrack« käme von »sinken«!)
Mit herzlichen Grüßen, Ihr Zwiebelfisch
P S: Die Kollegen hatten inzwischen ein Einsehen und haben die Zeile geändert. Jetzt heißt es dort: »Silberschatz im Nordatlantik: Erneut Wrack gefunden«.
Mit erneut herzlichen Grüßen, Ihr Zwiebelfisch
Tesa-Film ist fast Leim
Was haben Eifersucht und Schufterei gemeinsam? Was verbindet Peer Steinbrück mit Rupert Siebeneck? Und Gerhard Schroeder mit Dr. Roger Drehachse? Die Antwort lautet: die Buchstaben! Eine der lustvollsten Arten, sich mit Wörtern zu beschäftigen, ist die Suche nach Anagrammen.
Im September 2013 stehen die 18. Bundestagswahlen an. Höchste Zeit also, sich ein paar Gedanken über Politik zu machen. In einem Chat auf Facebook erklärte mir jemand, Angela Merkel sei die einzige Politikerin, die von Anfang an mit offenen Karten gespielt habe. Man müsse es nur verstehen, sie richtig zu deuten. Ihr Name sei nämlich ein Anagramm: Durch Umstellung der Buchstaben würde »Angela Merkel« zu »Klare Maengel«. Und da hätte man doch den Beweis: Diese Frau macht keinem etwas vor!
Wer Scrabble spielt, der weiß, dass das Umstellen von Buchstaben oft zu verblüffenden Ergebnissen führen kann. Aus den Steinen, die für das Wort »Aufschub« nötig sind, lässt sich auch ein »Fuchsbau« errichten, und »Rohsahne« kann man so lange verquirlen, bis am Ende »Hasenohr« dabei herauskommt.
Schon die alten Griechen bildeten Anagramme, und von ihnen stammt auch der Fachbegriff: »Anagramm« leitet sich vom griechischen »anagraphein« ab, was »umschreiben« bedeutet. Auf Deutsch wird ein Anagramm auch »Letterkehr« oder »Schüttelwort« genannt. Für so manchen ist das Puzzeln mit Buchstaben nicht nur eine amüsante Form der Freizeitbeschäftigung, sondern geradezu eine Leidenschaft. Im Internet kann man ganze Listen mit originellen Anagrammen einsehen, die von begeisterten Anagrammsuchern zusammengetragen wurden. Darauf findet man erfrischend unkorrekte Gleichungen wie »Atom-Ausstieg = Essig-Automat«, »Bundestag = Angstbude«, »Reformpaket = Aemterkropf«, »Frauenschwarm = Warmschnaufer« und »Tesa-Film = Fast Leim«. Eines der längsten Ein-Wort-Anagramme ist »Behoerdenbauten«. Es hat dieselben Buchstaben wie »ohrenbetaeubend«.
In früheren Zeiten dienten Anagramme nicht allein dem Vergnügen, sondern auch der Verschlüsselung. Galileo Galilei zum Beispiel veröffentlichte seine Erkenntnisse über die Planeten Venus und Saturn in Form von Anagrammen, um sicherzustellen, dass sie nur von Eingeweihten
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