Der David ist dem Goliath sein Tod
Schwarm?«
»Der macht doch diese Bücher mit Wasser und so. Den meine ich nicht. Ich weiÃ! Irgendwas mit trä. Fängt mit S an, meine ich. Hört, wenn ich mich recht erinnere, mit ter auf.«
»Später?«, fragt sie.
»Sträter«, sage ich, »genau.«
Sie runzelt die Stirn. »Kenne ich so nicht.«
Lernst du gleich kennen, denke ich.
»Ich kann mal im Computer schauen«, sagt sie, dann:
»Ja hier. Wir hatten mal eins.«
Ich weiÃ, denke ich. Vom 2. Juli 2005 bis 26. Januar 2006. Dann hat es irgendwer aus Versehen gekauft.
»Schön. Bestellen Sie es mir?«
»Eins?«, fragt sie, ohne aufzusehen.
»Achtzig«, gebe ich ruhig zurück.
Nun blickt sie auf.
»Vier, meine ich. Ich hatte verstanden, Sie wollten meinen Ruhepuls wissen.«
»Vier?«
»Ja klar.«
»Ihr Name bitte?«
»Sinclair«, sage ich.
Sie sieht mich lange an.
»Nicht englisch geschrieben. Das wäre ja wohl der passende Name für eine Katze, die Kriminalfälle löst. Schreibt sich, wie manâs spricht. Sinckleer. Mit Doppel-E. Horst.«
»Horst Sinckleer?«
In diesem Moment klatscht mir eine Hand auf die Schulter und die tönende Stimme meines Arbeitskollegen Helmut erfüllt die Hallen.
»Sträter, alte Pottsau.«
»HA!«, belle ich. »Bestell ich gerade, diesen Strä-ter. Sowas. Mensch. Nenn mich Ismael. Wie läuftâs? Alle FuÃnägel noch dran?«
»Torsten Sträter«, sagt er tadelnd. »Hast du gesoffen?«
»Herr Sinkleer?«, fragt die Angestellte.
»Was?«, fragt Helmut.
»Was hast du denn da für ein Buch«, überbrülle ich die sich unschön klärende Situation, und Helmut hält es hoch. Ah, denke ich, wieder so ein Zwitterprodukt. Eine Mischung aus den beiden Genres, mit denen man den Deutschen momentan immer kommen kann: FuÃball und Fantasy. Es heiÃt Der zwölfte Mann ist der Ball, der Zehnte ist ein Elf .
Die beiden starren mich an. Ich muss was tun, also sage ich im Ton eines WDR4-Moderators:
»Ich muss mal scheiÃen, Herrschaften.«
Die entstandene Wirkungspause nutze ich zur Flucht. An jedem anderen Wochentag wäre das in die Hose gegangen.
Die Supermarktkette REAL hat samstags bis 22 Uhr geöffnet. Dort beschlieÃe ich gern meinen Sonnabend.
Und zwar an der Fleischtheke.
Da zumeist nur sehr wenige Kunden anwesend sind, kann man sich ohne Weiteres erlauben, mit dem Fleisch zu sprechen.
»Es tut mir leid«, murmele ich, den Blick ins Innere der Fleischtheke geheftet. »Es tut mir leid, Kitty.«
Diesem Satz folgt zumeist die direkte Ansprache der Verkäuferin.
»Das da«, sage ich dann, »war Kitty. Sie war meine Kuh. Ich bin mit ihr groà geworden. Ich habe sie geliebt. Morgens, wenn ich mit bloÃen FüÃen über die taunasse Wiese lief, hörte ich sie schon muhen. Kitty, meine Kitty.«
Ich schluchze kurz, habe mich ansonsten aber bemerkenswert im Griff.
Die Verkäuferin hebt die Hand, aber ich würge sie harsch ab.
»Ja. IHNEN bedeutet sie nichts! Ist schon klar! Sie waren nicht dabei, als ich Nivea auf ihre entzündeten Zitzen auftrug. Sie waren woanders, tanzen vermutlich, zu Peter Kraus oder irgendeinem anderen Kretin, der nicht weiÃ, wann Schluss ist. Sie haben schweigend hingenommen, dass Kitty der Garaus gemacht wurde, vermutlich von einem stumpfen Schlächter, mit dem Sie sich zu trostlosen Schäferstündchen in der Kühlkammer treffen, wenn Sie mal wieder das erbärmliche Muhen in Ihrem Schädel nicht ertragen. Sie haben es nicht gesehen ⦠das Glück in ihren Augen, wenn sie mich erkannte. Liebe! Richtige Liebe, nicht nur ein Instinkt. Da war mehr!«
»Das ist Schwein«, sagt die Verkäuferin, und mir wird klar, dass man auch ab und zu danebenliegt.
Aber samstags macht mir das nichts aus.
Gutes Buch gewesen?
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Torsten Sträter , Jahrgang 1966, trat mit 41 Jahren erstmals auf die Poetry-Slam-Bühne und gewinnt seither Wettbewerb um Wettbewerb (Geringste Zuschauerzahl: 9. Höchste Zuschauerzahl: 2300). Er ist Faktotum und Vorleser in der Familienbuchhandlung, hat 1 Sohn, 28 Mützen und 600 Facebook-Freunde, die alle einmal die Woche bei ihm zuhause vorbeischauen.
Sträter versucht der Sinatra des gesprochenen Wortes zu werden â wenn möglich ohne Umweg über den Wolfgang Petry
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