Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Dirk
Vom Netzwerk:
Betriebseingang entdeckt er ein Schild: »Heimat, wir sind zum Kampf bereit!«

    Scheunert erzählt: »Man wollte Widerstand leisten, aber man wusste auch nicht wie. Man wollte ja die Veränderung, man hat dafür demonstriert in Leipzig, man wollte den Zusammenschluss mit den reichen Brüdern und Schwestern. Man hat nur nicht geahnt, was die Folge ist. Die Gewerkschaften und westdeutschen Arbeitgeberverbände haben durch die Tarifsteigerungen von elf Prozent dafür gesorgt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Betriebe endgültig kaputt gemacht wurde. Da haben Leute in Westdeutschland Angst gehabt, dass es möglicherweise ostdeutsche Betriebe gibt, die zu Konkurrenten werden.«
    27. Februar 1991, Berlin
    Die zwei Schweizer Geschäftsführer der kleinen Aktiengesellschaft Chematec fliegen nach Berlin. Die Komplizen von Michael Rottmann sind am Ziel: Die AG hat den Zuschlag für den Wärmeanlagenbau bekommen. In der Treuhandzentrale unterschreiben die Schweizer den notariellen Kaufvertrag. Den Vertrag hat – wie bei dem Holzhandel-Deal – ein vierköpfiges Privatisierungsteam ausgehandelt, dem ein ostdeutscher und ein westdeutscher Verkäufer angehören. Den Ostdeutschen, Konrad Zwinscher, kennen die WBB-Geschäftsführer Franz Kleinert und Peter Herzog von früher. Zwinscher hat bis 1989 im DDR-Ministerium für Kohle und Energie gearbeitet.
    Bei der Ermittlung des Kaufpreises helfen die Geschäftsführer. Sie haben im Vorfeld den Wert der Grundstücke geschätzt und eine Übersicht über die Barmittel der WBB erstellt. Der Treuhand melden sie jedoch nicht den tatsächlichen Wert. Im Januar haben sie der Treuhand mitgeteilt, dass eine Liquidierung der WBB mindestens 64 Millionen kosten würde. Es sei also viel billiger, die Firma an die Chematec abzugeben. Das Gutachten einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft holt die Treuhand nicht ein. Der Kaufpreis wird auf zwei Millionen D-Mark festgelegt. Die Chematec übernimmt zudem 31 Millionen Altschulden. 19
    Der Vertrag wird vom Sonderbevollmächtigten für den Bereich Energiewirtschaft, Dr. Hans-Peter Gundermann, im Namen der Treuhand unterschrieben. Gundermann hat zuvor unter anderem bei Mobil Oil gearbeitet. Der Manager handelt in dem Glauben, dass der Ertragswert der WBB unter dem Substanzwert des Unternehmens liegt, dass also der Ertrag, den der Investor mit dem Unternehmen in absehbarer Zeit erzielen kann, unter dem Wert aller Aktiva der Firma liegen wird. Den Vertrag überfliegt er, sein Privatisierungsteam arbeitet die Details aus. 20

    Der Kaufvertrag umfasst vierzehn Seiten. In der Präambel heißt es: »Die Vertragspartner sind sich darin einig, daß die Fortführung des Geschäftsbetriebes der WBB aufgrund der seit dem 01.07.1990 geänderten Rahmenbedingungen der überregionalen und kommunalen Energiepolitik und deren Auswirkungen auf die fünf neuen Bundesländer einer grundlegenden Reorganisation und Neuorientierung der WBB bedarf. Dies gilt umso mehr, als sich die Position der WBB auf dem eigenen Markt durch erwartete Neuaufträge nicht bestätigt hat.«
    Der Vertrag sieht ebenfalls nur in der Präambel vor, dass die Chematec 750 der 1225 Arbeitsplätze erhält. Die Umsetzung dieses Passus ist jedoch nicht einklagbar. Zudem würde die Treuhand 60 Prozent des Mehrerlöses erhalten, wenn der neue Eigentümer die Grundstücke verkaufen würde. Der Vertrag lässt jedoch eine Lücke: An Tochterfirmen dürfen die Liegenschaften durchaus verkauft werden, ohne dass die Treuhand an diesem Verkauf mitverdienen würde. Tatsächlich hat die WBB in diesem Moment Immobilien im Wert von über 100 Millionen D-Mark in ihrem Besitz. Zudem wird die Allianz-Versicherung dem Unternehmen später ein Auftragsvolumen von einer Milliarde D-Mark attestieren. Konkret steht noch die Zahlung von 180 Millionen D-Mark aus einem Kraftwerksbau aus. Der Wärmeanlagenbau ist seit langem eine »fette reife Frucht«, wie es einer der Ingenieure formuliert. 21 Diese fette reife Frucht kann nun von der Chematec AG und dem westdeutschen Manager Michael Rottmann gepflückt werden. Wenig später kündigt Rottmann bei seinem alten Arbeitgeber Babcock in Oberhausen und zieht nach Berlin.
    Vor knapp fünf Tagen haben Rottmann und seine Komplizen alle Chematec-Aktien gekauft. Jeder musste 240 000 Schweizer Franken bezahlen. Drei Tage darauf kauft die neu gegründete Aktiengesellschaft PCE, die ebenfalls ihren Sitz in der Schweiz hat, Rottmann und den anderen die

Weitere Kostenlose Bücher