Der deutsche Goldrausch
Kollege vom Klaus Klamroth, ist an diesem Mittwochabend in Berlin. Er trifft sich mit dem Anwalt Kurt Dachsner (Name geändert) , den er bei der Abwicklung eines Konkursverfahrens in Baden-Württemberg kennengelernt hat. Im »Grand Hotel« an der Friedrichstraße, wo so viele Geschäfte angebahnt werden, essen die beiden Kollegen zu Abend. Alexander hat sich den Betrieb in der »Scheibe D« einen Monat lang angesehen. Die Treuhand in Halle ist noch im Aufbau, ständig stoßen neue Westdeutsche zum Team hinzu. Der Niederlassungsleiter Dr. Dickerhof ist kaum anwesend. Oft ist er verreist. Kurz: Man scheint dort machen zu können, was man will. Alexander erklärt Dachsner im Laufe des Abends, wie sie über die Treuhand-Niederlassung in Halle Millionäre werden können.
Der Privatisierungsdirektor Tim Olaf Alexander sitzt in Halle in einer Schlüsselposition: Er ist der Chefverkäufer der Niederlassung. Alexander kann den Verkauf der Firmen in Halle steuern und mitentscheiden, wer
welches Unternehmen bekommt. Eine ideale Position, um Schmiergelder zu verlangen. Die will Alexander jedoch nicht selber eintreiben. Das soll der Anwalt Kurt Dachsner übernehmen. Er soll die Höhe des Kaufpreises für die Objekte und das Schmiergeld festlegen. 18 Damit sie nicht erwischt werden, brauchen sie noch einen Komplizen, einen Mann, der das Schmiergeld in Empfang nimmt, so dass sie selber, Alexander und Dachsner, im Hintergrund bleiben können. Ein alter Bekannter aus dem Stuttgarter Raum fällt ihnen ein: der gescheiterte Manager Werner Sauer (Name geändert) .
Das Ganze soll folgendermaßen ablaufen: Alexander wird Dachsner als Liquidator anheuern. Immer wenn ein Betrieb aufzulösen ist und Immobilien übrig bleiben, soll Dachsner in Aktion treten und Käufer finden, die bereit sind, Schmiergelder an sie zu zahlen. Dachsner ist einverstanden.
Alexander fährt zurück nach Halle. Am nächsten Tag, dem 31. Januar, stellt er seinen Komplizen Kurt Dachsner als Liquidator der Treuhand-Niederlassung Halle ein. Die Sache kommt ins Rollen.
Auch in Halle wächst die Belegschaft der Treuhand-Niederlassung schnell. Klamroth versteht sich gut mit dem Personaldirektor, einem BMW-Manager. Sie stehen beide am Ende ihrer Karriere. Einen weiteren neuen Mann stellt Klamroth selber ein: Bernd Capellen, Wirtschaftsprüfer aus dem Rheinland. Capellen, rundlich, fröhlich, schlohweiße Haare, kleine, blitzende Augen, ist eine rheinische Frohnatur. Sein Lebensmotto: »Jeder Jeck ist anders.«
Klamroth sitzt meist bis spät in die Nacht über den Akten, unterschreibt Verträge, trifft sich mit Geschäftsführern und hat noch immer kaum Zeit, die Betriebe, die er verantwortlich führen soll, anzugucken. Deshalb bekommt Capellen den Auftrag, sich in den Firmen umzusehen. Er soll eine Art Sheriff geben. Capellen, der im Klüngel des Rheinlands schon einiges erlebt hat, stößt umgehend auf Unregelmäßigkeiten. Klamroth erfährt durch Capellen von einem Unternehmensberater, der über Land fährt und für 6000 Mark pro Tag seine Dienste anbietet. Dabei sind seine platten Lehrsätze aus Büchern zusammengeschrieben: »Sie müssen mehr Umsatz zu einem besseren Preis machen!« Capellen warnt in der Presse vor dem Mann, der offenbar ein Betrüger ist. »Das waren keine Hilfesteller, das waren Glücksritter, die sind nach Halle gekommen mit gutem Anzug, gutem Auto, unheimlich selbstsicherem Auftreten. Die begegneten einem überall, ob das abends im Restaurant war, wo die große Show abgezogen wurde, oder bei der Treuhandanstalt. Hier im Osten fehlte den Menschen immer ein bisschen diese Selbstsicherheit.«
Eines Tages besucht Capellen einen Betrieb, der riesige Betonplatten für
die Wohnsilos herstellt. Als er auf den Betriebshof fährt, fallen ihm holländische Lastwagen auf, die Stahlträger abstransportieren, die ursprünglich die Platten gestützt hatten. Ein Mitarbeiter des Betriebs hatte sich bestechen lassen und zur Seite geguckt, als die Lastwagen aus Holland anrollen, um den Stahl abzuholen.
Capellen kommt auch der Fall der Mitteldeutschen Beton- und Kieswerke zu Ohren: »Da kam dann jemand, der stellte sich vor als Mitarbeiter von der Treuhandanstalt. Er fragte aber eigentlich nur nach Immobiliengröße, welchen Wertansatz hat das Gelände. Da habe ich gesagt, der kann niemals von der Treuhandanstalt Berlin sein. Der müsste wenigstens einmal anstandshalber fragen: ›Wie viele Mitarbeiter hat die Firma? Was macht die Firma?‹ Dann habe ich
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