Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Dirk
Vom Netzwerk:
Chematec-Aktien wieder ab – für fünf Millionen Schweizer Franken. Das Geld bringt die PCE auf, indem sie Grundstücke der WBB beleiht. Diesen ersten großen Zahltag hatten die neuen Eigentümer der WBB genau so in Rottmanns Essener Keller geplant. 22
    28. Februar 1991, Berlin
    Die Schließung der Wartburg-Werke hat vielen in der ehemaligen DDR klargemacht, dass sich der Wind gedreht hat und die Treuhand nun Ernst macht. Detlev Karsten Rohwedder und der Treuhandvorstand wollen sich
der Kritik stellen. Sie berufen ein Treffen der Betriebsräte der größten ostdeutschen Unternehmen ein. Im Kongresszentrum schräg gegenüber vom Alexanderplatz 6, sprechen Treuhänder und ostdeutsche Arbeitervertreter mehrere Stunden lang miteinander. Der Treuhandvorstand sitzt an einem langen Tisch auf der Bühne, dahinter ein brauner Vorhang, vor dem ein großes Schild hängt, auf dem »Treuhandanstalt« steht. Sonst gibt es keine Dekoration.
    Das Treffen zeigt den Treuhändern, wie schlecht die Stimmung in den neuen Bundesländern inzwischen ist. Vielen Betriebsräten geht es nur noch um die Höhe der Abfindung und die Ausstattung des Sozialplans. 23 Ostdeutsche bekommen oft nur ein Fünftel der Abfindung, die westdeutschen Arbeitern zusteht. Rohwedder sieht müde aus, er hat tiefe Augenringe, als er sagt: »Nehmen Sie mal die technischen Dinge beiseite, was nämlich der Kern der Sache ist: diese rasante und auch dramatische Veränderung der gesamten Lebensumstände und der Arbeitsumstände in der DDR. Diese Dinge, die wie eine Sturzflut über die Menschen gekommen sind, die sind für die Treuhand – für uns hier – ungeheuer schwer und eigentlich gar nicht aufzuhalten.« Er gönnt sich dann eine kleine Spitze in Richtung Bonn – die Treuhand sei hilflos gegen diesen Tornado an Vorwürfen, die überwiegend berechtigt sind: »Wir können nicht alles machen. Wir sind nicht die omnipotente Stelle. Wir sind nicht die Bundesregierung und auch nicht das Parlament. Aber wir sind natürlich schon der Transmissionsriemen, von der Realität der früheren DDR hin zu den politischen Entscheidungszentren in Bonn. An dieser Übersetzertätigkeit soll es nicht fehlen.«
     
    Seit Anfang der Woche halten Arbeiter aus Neuruppin eine Mahnwache vor der Zentrale am Alexanderplatz. Sie demonstrieren gegen die Schließung der EPW (Elektro-Physikalische Werke), dem größten Leiterplattenwerk Europas. 24 Die IG Metall unterstützt die Arbeiter bei ihrem Protest.
    Rohwedder sieht die Gruppe auf dem Rückweg zur Treuhand. Er bittet Mitarbeiter, Kaffee und Tee für die Protestler zu kochen. Die drei Thermoskannen will er persönlich zu der Mahnwache bringen. Es ist nach 19 Uhr, die Arbeiter stehen schon den ganzen Tag in der Kälte. Im Aufzug auf dem Weg nach unten erklärt er einem Assistenten: Das ist meine Führungsphilosophie  – nach unten buckeln, nach oben treten.
    Vor der Zentrale spricht Rohwedder mit den Arbeitern: »Die Kompliziertheit unserer Arbeit wird oft nicht richtig dargestellt. Viele glauben, die Treuhand sei für alles verantwortlich.« Die Betriebsräte zum Beispiel hätten
ihn am Nachmittag bei der Konferenz »richtig an die Wand genagelt«. Dann muntert er die Arbeiter auf und verschwindet wieder in der Treuhandzentrale. Die Arbeiter sprechen danach mit einem Reporter der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Sie wollen mit der Mahnwache die Treuhand nicht provozieren, sagen sie, aber »sie wollen Hilfe in schwieriger Zeit«. Sie wissen, dass viele ihrer Unternehmen nicht konkurrenzfähig sind, dass Firmen geschlossen und Arbeitsplätze abgebaut werden müssen. »Arbeitslosigkeit sei ein schlimmes Los, das viele psychisch nicht verkraften. Es gehe dabei nicht primär um das fehlende Einkommen, sondern um den Lebenssinn und die Motivierung für die Zukunft … Es werde viel über Geld geredet und zu wenig über Befindlichkeit … Keiner, der an diesem Tag vor der Treuhand ausharrt, hat also die Illusion, für ihn könne alles beim Alten bleiben. Doch alle erwarten, daß die Treuhand sich auch für sie, die Arbeitnehmer verantwortlich fühlt und nicht nur für die Betriebe. Gleichzeitig wird aber eingeräumt, daß man damit möglicherweise die Anstalt überfordere.«
    5. März 1991, Bonn
    Ein Referent in der Unterabteilung B der Abteilung VIII von Eckart John von Freyend schreibt einen vertraulichen Vermerk und prognostiziert Drastisches: »Gegenwärtig zeichnet sich die Gefahr ab, daß bei einem rein

Weitere Kostenlose Bücher