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Der deutsche Goldrausch

Der deutsche Goldrausch

Titel: Der deutsche Goldrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Dirk
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trägt und sich ähnlich deutlich ausdrückt wie der Treuhandchef. Er macht ihm den Bereich »Abwicklung« schmackhaft: »Da, wo den anderen nichts mehr einfällt, können Sie zeigen, was Sie können und was Ihnen einfällt.« Tränkner kann dem Angebot nicht widerstehen, kündigt seinen Job und wird Treuhanddirektor, verantwortlich für die Liquidierung der Betriebe.
    Tränkner war einst Reporter für »Die Zeit« und das Magazin »Stern« in Hamburg. Dann wechselte er die Seiten, wurde Geschäftsführer einer Tochter des Bauer-Verlages in Frankreich, wo er schließlich die letzten zehn Jahre
bis 1990 gelebt hat. Nun hat er ein Büro am Alexanderplatz 6, düster, eng, merkwürdig geschnitten und mit Fenstern, die zu hoch in der Wand zu sitzen scheinen und wie Schießscharten wirken. Ende Januar entscheiden Tränkner und andere leitende Treuhänder, dass man den ehemaligen VEB Automobilwerk Eisenach abwickeln muss, der den Wartburg herstellt. Klaus-Peter Wild, der Vorstand, stimmt mit dem Direktor überein.
    Das Bundesfinanzministerium hört von dem Plan und schickt eine ostdeutsche Kollegin zum Alexanderplatz. Sie lässt sich von Tränkner die Zahlen erläutern und sieht am Ende auch keine Zukunft für Wartburg.
    Die Abwicklung beginnt.
     
    Die Treuhand-Niederlassungen in den neuen Bundesländern wissen ebenfalls, dass man Firmen schließen muss. In ganz Ostdeutschland werden nun Firmen abgewickelt. Im thüringischen Suhl soll es das traditionsreiche Mofa-Werk Simson treffen. Obwohl die Zentrale und nicht die Außenstelle für die Fabrik mit über 1500 Arbeitern zuständig ist, richtet sich die Wut gegen die Treuhand vor Ort. Die verzweifelte Belegschaft geht auf Konfrontation zu dem Niederlassungsleiter Richard Brändle aus Baden-Württemberg.
    Simson wurde von zwei jüdischen Brüdern gegründet. Die Firma stellt Motorräder und Waffen her, die sehr gefragt sind. Nach dem Krieg wird sie von der SED verstaatlicht und produziert unter anderem die »Schwalbe«, ein robustes, simples Mofa. Seit der Wende macht auch Simson wie viele andere Hersteller von Autos oder Motorrädern enorme Verluste. Die Treuhand will Ende Januar die Produktion einstellen lassen. Insgesamt 3500 Arbeitsplätze hängen an dem Werk.
    An einem Wintertag stürmen die Simson-Arbeiter die Treuhand-Niederlassung in Suhl. Ein Fernsehteam dokumentiert den Vorfall. 16 Über 200 Arbeiter drängen sich in das eingeschneite Treuhandgebäude.
    »Ja wo isser denn? Er war dagewesen. Er war doch schon unten!«, sagt ein Mann mit Spitzbart auf dem Flur.
    »Is er die Treppe runter?«, fragt eine Frau.
    »Fahnenflüchtig geworden! Der Sack!«, sagt ein Mann aus dem Hintergrund. Die Menge schiebt sich vor das Büro Brändles.
    »Der ist abgehauen! Abgehauen! Die Drecksau!«, sagt eine Frau mit dicker Brille und weißem Schal. Schließlich tritt der Niederlassungsleiter doch aus seinem Büro heraus und vor die Menge.
    »Sprechen Sie unten vor der gesamten Mannschaft, der ganze Betrieb ist unten …!«, fordert eine Frau in lilafarbenem Anorak.

    »Bitte sorgen Sie …«, sagt Brändle.
    »Wir sorgen nicht …«, antwortet die Frau. Die Menschen johlen.
    Einer sagt: »Keinen Arsch in der Hose, ja! Wichser!«
    Brändle: »… dann begeben Sie sich noch mehr außerhalb der Gesetze, und das will keiner hier. Das will ich nicht, das dürfen Sie auch nicht wollen.«
    »Warum kommen Sie nicht runter und sagen den Leuten genau das, was Sie uns auch gesagt haben?«, fragt ein junger Mann mit hochgeknöpftem Jackenkragen. »Haben Sie keinen Arsch in der Hose oder was? Haben Sie Angst, dass die Leute Ihnen was tun? Will doch bloß jeder wissen, was hier los ist. Ist ja schließlich unsere Angelegenheit, was hier passiert.«
    Brändle antwortet: »Ich kann ihnen nicht mehr sagen als das, was ich hier im Augenblick gesagt habe.« Die Menge murrt.
    Zwei Stunden später geht Brändle doch vor das Haus. Mit »Geleitschutz«. Die Menge pfeift und buht. Er hat mit der Zentrale am Alexanderplatz telefoniert. Ein Wagen der IG Metall mit Lautsprechern auf dem Dach parkt vor dem Eingang. Brändle nimmt ein Mikrofon: »Das Ergebnis der Verhandlungen ist Folgendes. Das Gesamtvollstreckungsverfahren, also Konkurs, wird zurückgezogen.«
    Die Arbeiter klatschen und brechen in Jubel aus: »Bravo!«
    »Wir haben einen Liquiditätskredit«, fährt Brändle fort, »der ausreicht, um die nächste Zeit überbrücken zu können.« 17
    30. Januar 1991, Berlin
    Tim Olaf Alexander, der neue

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