Der dicke Löwe kommt zuletzt
allein auf dem Meer, und die absonderlichsten Fahrzeuge hatte er schon benutzt, Schiffe, in die kein anderes Wesen den Fuß gesetzt hätte.
Er segelte also frohgemut hinaus. Der Wind war günstig, er machte gute Fahrt, das Segel füllte sich prall, und über ihm wölbte sich der dunkle Himmelsdom mit den Millionen Lichtpünktchen.
Löwe begann zu dösen, und seine Gedanken eilten voraus: Alles ging so leicht und einfach. Er landete auf der Insel und schlug den Scheich mit seinem Gebrüll in die Flucht. Er sah ihn vor sich herstürmen, jammernd die Arme hochwerfen, er lief, stolperte, fiel hin, keuchte, raffte sich wieder auf; Löwe verhielt absichtlich, um seine Angst zu vergrößern, er hatte Freude an diesem Spiel. Ein Sprung genügte, den Scheich zu Boden zu strecken. Den aufgerissenen Löwenrachen an seiner Kehle, wimmerte er um sein Leben. Löwe wollte es ihm wohl schenken, nun da der Sultan befreit war und das Kamel und alle anderen. Der Scheich mußte schwören, die Insel umgehend zu verlassen, der Sultan mochte über ihn entscheiden.
Und dann fuhren sie gemeinsam nach Hause, der Sultan und das Kamel mit der Jacht voraus, Löwe im Segelboot hinterher. Und in Sultanien angekommen, wurde Löwe als großer Held gefeiert. Alle jubelten ihm zu, die Musikkapelle spielte ihm zu Ehren, es gab ein Volksfest, die Sultanier tanzten auf den Straßen, Pips umarmte ihn und schmückte ihn mit dem frisch gewaschenen Taschentuch. Das war ihm noch lieber als der Orden vom goldenen Sultanspantoffel mit Edelstein, den ihm der Sultan tränenden Auges auf einem roten Kissen präsentieren ließ. Sogar das Kamel mußte sich vor Rührung mehrmals schneuzen...
Löwe schlief ein. Er schlummerte viele Stunden. Bis in den Morgen hinein, als der Tag nicht mehr fern war. Die Sterne verschwanden hinter einer dichten Wolkenwand. Der Wind wurde steifer, er begann zu bocken, aber Löwe bemerkte es nicht. Ein heller Gischtstreifen zog über die Wasserfläche, das Meer erwachte zu lautem Leben. Eine riesige Wolke stürmte heran und hüllte das kleine Boot ein, der Mast vibrierte im drohenden Gemurmel der Winde, ein gewaltiger Aufruhr wirbelte die dunkle See auf; die Stöße der Sturmbö fielen mit Regen und Schauer über das Boot her, das von den Wellen gebeutelt wurde.
Löwe krachte gegen die Bootswand.
Er war hellwach. Das Boot lag schräg, drehte sich wie ein Kreisel. Die Leinwand klatschte gegen den Mast. Löwe begriff nichts — um ihn war die Hölle, ein Tumult der Elemente, tiefe Finsternis, Wasser wie kochend. Er wollte schreien, aber sobald er das Maul aufmachte, schluckte er Regen, den ihm der Wind in die Kehle jagte.
Es war wie im Getöse eines Wasserfalles.
Keinen klaren Gedanken konnte Löwe mehr fassen, nicht einmal den, gerettet zu werden oder rasch zu sterben. Er versuchte, sich irgendwo im Boot festzukrallen, um nicht über Bord gespült zu werden. Und immer wieder brachen die Wellen über ihm zusammen. Längst war das Schiffchen vollgeschlagen, unglaublich, daß es nicht sank, in diesem Tohuwabohu der Naturgewalten.
Löwe gab sich auf. Nur ein Wunder konnte ihn retten! Aber es war wohl zu spät für jedes Wunder. Und plötzlich tat es einen dumpfen Schlag. Löwe prallte mit dem Kopf gegen den Mast: Der Rumpf splitterte. Die Holzplanken barsten, brachen auseinander, trieben mit dem auf den Wellen schaukelnden Segel davon... Löwe ging unter, es drehte ihn, blind war er, bekam etwas Festes unter die Pranken — es waren die Zacken eines Korallenriffs.
Mit einem letzten Aufbäumen des Lebenswillens zog er sich hinauf, wurde hinübergespült zum nächsten Felsen, griff besinnungslos zu, versuchte sich an dem festzuklammern, was ihm fast den Leib zerschmetterte... Wenn es auch schmerzte, so war es doch Land, schartiger Stein...
Dann verlor er das Bewußtsein.
Stunden um Stunden verrannen. Der Tag war gekommen. Löwe lag auf dem Geröll einer wilden Bucht. Noch immer wogte das Meer, die Wellen leckten sein Fell. Doch nach und nach beruhigte sich die See. Das Brüllen wurde leiser, mäßigte sich zum Rauschen, das nur ab und an die Stimme noch einmal erhob.
Noch immer jagten graue Wolkenfetzen über den Himmel. Von Löwes Segelboot war kein Teilchen mehr zu sehen, es war zertrümmert aufs offene Meer hinausgetrieben.
Nachmittag war es, als Löwe zum ersten Mal vorsichtig blinzelte, aber er schloß die Lider gleich wieder. Er atmete ruhiger, regelmäßiger. Von Minute zu Minute kehrte ein wenig von seiner Kraft zurück.
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