Der dicke Löwe kommt zuletzt
sollte er nicht bleiben! Deshalb wollte sie ihn nie wiedersehen.
Dann aber bemerkte sie, daß er die Höhle verließ und lange nicht wiederkehrte. Sie freute sich. Zögernd kehrte sie zum Kamel zurück, das noch immer matt und benommen an der gleichen Stelle saß. Sie kraulte es zwischen den Ohren.
»Das tut gut!« seufzte es matt.
»Wo ist dein Herr, dein Freund?« fragte Miriam.
»Der Sultan?« brummte das Kamel, ohne zu bedenken, daß es ein Geheimnis verriet.
Miriam erschrak. Ihre Hand blieb bewegungslos auf der Stirn des Kamels liegen. »Der Sultan...«, murmelte sie, »er ist der Sultan? Und er ist meinetwegen hier?«
»Das weiß ich nicht!« antwortete das Kamel. »Vor unserer Abreise kam ein Fremder, der seinen Namen nicht nannte. Lange sprach der Sultan allein mit ihm — ja, und nun sind wir da!«
Miriam nickte. Es war ihr, als habe sie es lange geahnt. »Mein Vater!« flüsterte sie. »Und der Sultan geriet meinetwegen ins Verderben! Wie schrecklich!«
Sie wollte zum Scheich. Aber er kam ihr zuvor. Dies war seine Stunde. Einige der zerlumpten Gestalten richteten sich ein wenig auf und schauten zum Eingang der Höhle. Andere standen langsam auf, aber sie zitterten. Die Vorhänge rauschten, der Scheich trat ein. Man hielt ihm die Pfeifen entgegen. Er ging in die Mitte des Gewölbes und entfachte das Holzfeuer. Die Flammen loderten. Roter Schein zuckte über die Wände.
Der Scheich füllte die Pfeifenköpfe aus seinem Lederbeutel und verteilte Zigaretten. Man setzte sich im Halbkreis um das Feuer, in achtungsvollem Abstand dem Scheich gegenüber.
Miriam allein blieb stehen. Der Scheich schaute zu ihr auf. Die Glut leuchtete in seinen Augen.
»Wo ist der Sultan?« fragte sie. Es sollte drohend klingen, aber es war mehr Angst in ihrer Stimme.
»Es gibt keinen Sultan mehr! Der, den du meinst, liegt in der Festung angekettet bis zu seinem Tode. Ich bin sein Erbe. Sultanien ist mein!«
»Du Verbrecher!« Die Kräfte verließen sie, sie sank zu Boden.
»Rauch und vergiß!« sagte er verächtlich. Er stopfte ihre Pfeife, reichte sie ihr, und verzweifelt rauchte sie, um ins Paradies der Träume zu entfliehen.
Das Kamel hatte die Auseinandersetzung wie durch einen Nebel gehört. Kurz und überscharf wie ein Blitz erhellte nun der Gedanke an Kim, Pips und Löwe sein Bewußtsein. Dann aber ging es auch wieder auf die betäubende Reise.
Der Scheich lächelte grimmig. Nie war seine Macht größer gewesen, nie hatte er sich unüberwindlicher gefühlt.
Er nahm seine Gitarre und sang eines der Lieder, mit denen er die Gefühle seiner Opfer bis in ihre Tiefen aufrührte.
Es war ein Lied von Liebe, Tod und Untergang. Er sang es mit brüchiger, wilder Stimme. Und die Blaue Wolke erfüllte die Höhle.
Wo ist Löwe ?
So standen die Dinge — sie standen schlimm als Dok mit dem neuen Flugzeug nach Sultanien kam.
Aber man wußte wenig von allem Bösen im Marmorpalast mit den zwiebelförmigen Fensterausschnitten, über den die Maschine mit gedrosseltem Motor eine Ehrenrunde flog, ehe sie auf dem feingeschnittenen Rasen landete.
»Zwar liebt das Kamel es nicht, wenn ich die Grasspitzen beschädige«, meinte Dok, »aber ich hoffe, es wird mir verzeihen. Es ist ja ein außergewöhnlicher Anlaß.«
»Schön, wieder hier zu sein!« rief Totokatapi. »Zu dumm, daß es damals mit dem tomatenroten Geschäftsführer nichts geworden ist. Hier ist doch meine eigentliche Heimat!«
Kim und Pips sausten aus dem Palast und lagen abwechselnd Dok und Totokatapi in den Armen, während Wu wie wild an ihnen emporsprang.
»Wo ist eigentlich Löwe?« fragte Dok. »Ich habe mich sehr auf den alten Burschen gefreut. Er ist doch wohl nicht krank?«
Da machten Kim und Pips betrübte Gesichter und erzählten, was sich zugetragen hatte — soweit sie es wußten.
»Auch das noch!« rief Dok. »Löwe ist ein prächtiger Kerl, aber doch kein guter Seemann! Es gab einen furchtbaren Sturm auf dem Ozean, ich hörte es im Flugwetterbericht...«
»Ich ahne schon, was nun kommt«, rief Ka. »Jetzt heißt es wieder: >Lieber Ka, bitte flieg doch schnell mal über das Meer zur Glücklichen Insel und berichte uns, ob Löwe sicher gelandet ist...<«
»Ach ja!« rief Pips.
»Ausgeruht bin ich wohl. Also will ich mich nicht lange bitten lassen.«
So befand sich also der unermüdliche Ka bald wieder in der Luft, diesmal aber auf seinen eigenen Schwingen.
Er flog in eine dicke Wolkenwand. Zuerst lagerte sie nur fern über der See, aber bald
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