Der dicke Löwe kommt zuletzt
sie zu kennen. Mir scheint das Zauberkraut des Scheichs ein Rauschgift zu sein. Nur — woraus wird es gewonnen? Es gibt viele Pflanzen, aus denen man welches bereiten kann, zum Beispiel aus Mohn oder Hanf - und viele andere Stoffe. Das muß ich wissen, denn nur dann kann ich vielleicht ein wirksames Gegengift entwickeln!«
»Aber warum nimmt man denn dieses Zeug, wenn man weiß, daß es schädlich ist?« fragte Kim.
»Das versteht niemand, der nicht süchtig ist. Den meisten Rauchern fällt es schwer, sich das Rauchen abzugewöhnen, viele schaffen es nie. Dabei wissen sie genau, daß sie sich das Leben verkürzen.«
Totokatapi hatte bisher geschwiegen. Er saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl. Das Kerzenlicht schimmerte golden auf seiner ebenholzschwarzen Haut. »Wenn es so um den Sultan steht, dann müssen wir damit rechnen, daß er bald nicht mehr Sultan ist. Wer weiß?«
»So ist es«, bestätigte Dok. »Und es kann geschehen, daß er uns böse wegschickt, wenn wir einfach so kommen, um ihn herauszupauken!«
»Verflixt!« meinte Kim.
Totokatapi überlegte: »Vielleicht ist das Ganze ein feingesponnenes Komplott, das den Sultan schließlich alles kosten wird — sein Reich und sein Leben? Wir müssen deshalb zweierlei tun. Erstens: ihn aus der Gewalt des Scheichs befreien — und zweitens: ihm bis dahin sein Sultanat bewahren. Für das erste muß Dok sorgen, das zweite übernehme ich. Der Sultan setzte Löwe als Stellvertreter ein. Löwe aber ist nicht mehr da. Deshalb werde ich als ehemaliger Minister das Sultanat verwalten. Ich werde eine Armee aufstellen und die Grenzen bewachen. Wer immer versuchen mag, den Sultan zu verdrängen — ich werde ihn schlagen!«
Totokatapi ging hinaus, um dem Haushofmeister, dem Hauptmann der Leibwache und allen anderen wichtigen Persönlichkeiten seine Anweisungen zu geben. Die Posten wurden verstärkt, die Leibwache schliff die Krummschwerter, und Boten ritten bis an alle Grenzen des Reiches.
Verschiedene Vorhaben
Damit aber war erst der kleinste Teil der Aufgabe gelöst. Der schwierigere lag noch vor ihnen.
Dok sprach mit Kim und Pips: »Wir müssen nun rasch wissen, wo der Sultan ist, wie es ihm geht und was er selber für Pläne hat. Vorläufig sind wir auf Vermutungen angewiesen. Das ist zuwenig. Und dann muß ich unbedingt herauskriegen, was für ein Gift der Scheich verwendet. Ich brauche also etwas von seinem Zauberkraut! Leicht wird es nicht zu bekommen sein. Noch schwieriger aber werden wir es beseitigen können. Trotzdem müssen wir es versuchen, denn ohne die Blaue Wolke ist der Scheich machtlos. Genügt das aber? Nein! Ich muß ein Gegengift finden — und am besten wäre es, wenn wir das Zauberkraut des Scheichs durch dieses ersetzen könnten, ohne daß er es merkt! Ihr seht, das sind alles mehr als schwierige Vorhaben, und wir müssen sie Schritt für Schritt anpacken.«
»Du meinst wohl Flug um Flug?« krähte Ka. »Denn daß ich jetzt wieder zur Insel fliegen muß, ist doch so klar, wie daß Wu schon wieder Hunger nach einem Hammelknochen hat. Nun, allmählich werde ich Spezialist im Kontinente-und-Meere-Überfliegen. Sage mir, was ich tun soll — und morgen bei Sonnenaufgang werde ich starten.«
»Lieber Ka...« Pips streichelte seine seidenweichen Federn.
»Schon gut!« krähte er und plusterte sich stolz. »Ich wüßte wirklich nicht, was ihr ohne mich kleinen Vogel machen würdet!«
»Ich auch nicht!« sagte Dok. Und das war die Wahrheit.
Wu grübelte vergeblich darüber nach, auf welche Weise er nützlicher als Ka werden könnte. Aber den Ozean konnte er nicht durchschwimmen.
Eine sorgenvolle Nacht verstrich, ehe Ka sich wieder auf die Reise begab. Doch mit dem ersten Sonnenstrahl flog er dahin wie ein vom Bogen geschnellter Pfeil, er flog dahin in den aufblühenden Morgen wie ein Strahl der Morgenröte.
Das Unwetter hatte sich verzogen, spiegelblank und ruhig lag die See unter ihm, als hätte sich nie eine Welle auf ihr bewegt, als sei nie Nebel über sie hinweggeweht. Viele Schiffe sah Ka, Schiffe aller Art, Frachter, Passagierdampfer, Segelkutter, aber nirgends ein kleines Segelboot ohne Mast mit einem goldbraunen Löwen am Steuer, obwohl an den Küsten Fischerboote mit weißen Segeln zahlreich ausschwärmten.
Sinnlos war es wohl, noch länger nach Löwe zu suchen. Entweder war er schon gerettet, oder ihm war nicht mehr zu helfen. Ka durfte keine Zeit verlieren, jede Stunde war kostbar.
Gegen Mittag tauchte die Insel vor ihm im Dunst
Weitere Kostenlose Bücher