Der dicke Löwe kommt zuletzt
stand sie vor ihm wie eine Mauer, die vom Meer bis zum Himmel reichte.
Er mußte hinein und hindurch. Nebel umwallte ihn, er flog tiefer hinab, unten lösten sich die grauen Schleier teilweise auf. Sie wurden vom Wind an ihm vorbeigerissen. In kleinen Flecken sah er manchmal das Meer, wogende Wellen und Schaumkronen. Es war unmöglich, Löwe in dieser Waschküche zu entdecken.
Immer wieder warfen ihn Böen wie einen Federball in
die Luft, die so bockig war wie eine störrische Ziege. Und fast wäre er über ein Stück weißen Stoff hinweggeflattert, das auf- und abwellte.
Dieser Stoff hing an einem zersplitterten Holzmast.
Er machte einen Kobolz in der Luft, drehte um und ließ sich auf ihm nieder.
Aber nasse Füße kriege ich, dachte er, und unsicher sitze ich auch, denn dieser Mast Holz benimmt sich, als ob ich auf dem Rummelplatz Berg- und Talbahn fahren wollte. Brrr — nein, hier kann ich nicht lange bleiben — hups — , wenn ich nicht immer wieder — hups — hochspringen will, um nicht hinuntergespült zu werden — hups — , und es ist gar nicht sicher — hups — , ob ich immer den richtigen — hups — Augenblick erwische. Aber wenn ich mich nicht irre — hups — , ist das, was da im Wasser herumschwimmt wie in der großen Wäsche — hups — ein Segel, und es steht sogar was darauf, mit roten Buchstaben — hups. Was kann es — hups — nur heißen? — Abd — hups — Abd — hups — dulla — hups — hups — Abdulla — ach, du liebe Güte, — hups — das Boot, mit dem Löwe ausgefahren ist — hups — , gehörte doch — hups — , wenn ich mich nicht irre — , einem Fischer Abdulla — hups. Dann hat es gar keinen Zweck mehr, bis zur Glücklichen Insel zu fliegen — hups — , denn nie im Leben ist Löwe mit einem Segelboot — hups — ohne Segel — hups — dort angekommen!
Am Schluß dieser gründlichen Überlegung machte Ka seinen letzten Hupser, der gleichzeitig ein Aufschwung war, er flog nach Sultanien zurück.
Tränen
Dok, Kim, Pips, Wu und Totokatapi saßen im Palast beim Abendbrot.
Ihre Stimmung war gedrückt. Es wollte ihnen nicht so recht schmecken.
Als Ka dann endlich kam, ging in doppeltem Sinne die Sonne unter, einmal in der Natur und einmal in ihren Herzen.
Die Dunkelheit überflutete sie, aber niemand machte Licht. Pips legte den Löffel auf den Tisch. Sie schob den Teller weit von sich. Alle hörten auf zu essen.
Lange sagte keiner etwas. Aber sie dachten alle dasselbe. Nie würden sie Löwe Wiedersehen. Totenstill war es im Raum.
Endlich meldete sich Ka.
Er saß auf der Rückenlehne eines Stuhles. »Kopf hoch!« krächzte er mühsam. »Ich bin genauso traurig wie ihr. Aber erstens habe ich ja nur ein Segel gefunden, das Abdullas Namen trug. Vielleicht gehörte es gar nicht unserem Fischer Abdulla? Und zweitens — genausogut, wie der Mast ohne Boot im Meer schwamm, genausogut kann das Boot ohne Mast noch im Meer herumschwimmen. Mit Löwe natürlich! Denn Boote ohne Mast kentern viel weniger leicht als solche mit Mast. Obgleich sie natürlich sicher nicht da ankommen, wo sie ankommen wollten. So sieht es zwar schlimm aus, aber es muß trotzdem noch nicht alles verloren sein.«
Nun faßte auch Wu wieder Mut. »Löwe ist stark. Er kann stundenlang schwimmen. So wie ich!«
Und Kim rief: »Wir müssen an den Sultan denken — was auch immer Löwe zugestoßen ist.«
Dok nickte. »Irgend jemand soll das Licht anmachen. Und dann wollen wir beraten.«
Kim klatschte in die Hände, wie er es beim Sultan gesehen hatte. Der Haushofmeister räumte den Tisch ab. Er zündete rings an den Wänden die Kerzen in den goldenen Leuchtern an.
Entschlüsse
Nach und nach kehrten Vernunft und ruhige Überlegung wieder. Pips schnaubte sich heftig die Nase — und dann schauten sie Dok erwartungsvoll an.
»Ja — hm«, begann dieser, »wir stehen vor einer sehr kniffligen Aufgabe. Ist es schon schwer, einen Gefangenen herauszuholen, der selbst befreit werden will, ist das gewissermaßen ein Kinderspiel gegenüber dem Versuch, jemanden gegen seinen Willen zu retten. Und ich fürchte, das ist hier der Fall. Ich bin zwar nur Tierarzt, und die Tiere sind so vernünftig, weder zu rauchen noch zu schnupfen noch Alkohol zu trinken. Nur ganz wenige Papageienarten berauschen sich am Saft seltener Blüten. Ich habe mich aber mit diesem Gebiet der Medizin beschäftigt und weiß, daß sehr viele Gifte gleichzeitig auch eine heilkräftige Wirkung haben, und deshalb ist es wichtig,
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