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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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Schiff verlassen hatte. Sie begannen zu kreischen und zu jubeln und schlugen mit allem, was ihnen in die Finger kam, gegen die Wände ihrer Zellen. Es war ein Lärm, als hätten sich die Pforten der Hölle geöffnet.
    Die Wachen wussten nicht, was sie tun sollten. Sie rannten zu den Gefängnismauern und spähten in die Nacht, konnten aber nichts sehen. Dennoch hoben sie ihre Gewehre.
***
    Simon und KC hörten, wie sich hinter den Gefängnismauern ein Höllenlärm erhob. Simon riskierte einen Blick über die Schulter und sah die Konturen der Wachen, die mit erhobenen Waffen über die Mauern huschten. Er machte sich auf die unvermeidliche Schusssalve gefasst, drehte den Kopf wieder nach vorn und rannte noch schneller.
    Und dann fielen die ersten Schüsse. Kugeln schlugen um sie her in den felsigen Boden und sirrten als Querschläger durch die Luft. Simon konnte das Zischen der Projektile hören, die an ihm vorübersurrten. Die Schussdetonationen der Gewehre klangen wie Donner und hallten von den Bergen wider.
    Zehn Meter voraus erblickte Simon den Klippenrand. Er drehte sich zu KC und sah, wie sie sich konzentrierte. Seite an Seite erreichten sie den Felsen. Ohne zu zögern oder auch nur eine Spur langsamer zu werden, stießen sie sich vom Klippenrand ab und sprangen vom Plateau, segelten hinein in die Nacht.
***
    Als Michael zu dem Waldstück rannte, hörte er das Getöse, das aus dem Innern des Gefängnisses drang, in dem offenbar ein Aufstand der Häftlinge drohte. Er wusste nicht, welche Verbrechen diese Leute begangen hatten und was für Menschen sie waren, aber eine Haftstrafe in Chiron war der sichere Tod. Dies hier war kein Ort, an dem Menschen eine gerechte Strafe verbüßten, sondern eine Hölle auf Erden, in der Schuld oder Unschuld keine Rolle spielten.
    Im Schutz der Dunkelheit rannte Michael die vierhundert Meter bis zu der Stelle, an der er seinen Fallschirm versteckt hatte. Er hoffte, dass seine Kraft reichte, denn er musste es zuerst bis dorthin schaffen und dann den ganzen Weg zurück zur Klippe bewältigen. Michael verfluchte sich selbst, verfluchte alles um sich herum. Er war immer vorsichtig gewesen, hatte sich aber entschieden, keinen zusätzlichen, überflüssigen Hilfsschirm mitzunehmen. Wie hätte er auch damit rechnen können, zwei Menschen zum Ausbruch verhelfen zu müssen? Erst recht hatte er nicht ahnen können, dass es sich bei der zweiten Person um KC handeln würde. Michael hatte Mühe, die Konzentration zu wahren, weil der Strudel von Emotionen seine Denkfähigkeit einschränkte. Seine Gefühle schwankten zwischen Liebe und Hass, Furcht und Wut, Zuversicht und Niedergeschlagenheit. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, warum KC und Simon hier waren oder was sie getan hatten. Er wusste nur, dass er Antworten wollte, wenn es ihnen gelang, hier herauszukommen.
    Michael erreichte das Waldstück. Es dauerte nicht lange, und er fand den Fallschirm. Er zog sein Messer und schnitt den Hauptfallschirm vom Haltegurt, legte sich das Gurtzeug wieder um und betete, dass der Reservefallschirm korrekt gepackt war.
    Ohne einen Moment weiter nachzudenken rannte er zurück, auf das Gefängnis zu.
***
    Barabas’ Jeep bog um die Kurve. Die Scheinwerfer erfassten einen Mann im vollen Sprint. Es war keiner der beiden Gefangenen, weder der Mann noch die Frau. Barabas wusste nicht, um wen es sich handelte, aber es lag auf der Hand, dass der Unbekannte für den Ausbruch verantwortlich war. Der Gefängnisdirektor steuerte seinen Jeep geradewegs auf den rennenden Mann zu. Dann lehnte er sich aus der türlosen Seite des Fahrzeugs, zielte mit seiner Waffe und gab Gas.
    Die Scheinwerfer erregten die Aufmerksamkeit der Wachen. Sie schauten von den Mauern herunter und sahen, wie der Jeep sich rasch dem rennenden Mann näherte. Sofort hoben alle ihre Gewehre und begannen zu feuern. Schüsse peitschten durchs Tal. Die Wachmänner ergötzten sich daran, Jagd auf den Flüchtenden zu machen. Was nur ein stumpfsinniger, langweiliger Abend gewesen war, wurde plötzlich zu etwas Aufregendem. Die Männer johlten jedes Mal, wenn sie den Abzug betätigten.
    Auch Barabas zielte nun auf die Gestalt, die fünfzig Meter vor seinem Wagen her rannte. Obwohl er mit der anderen Hand den Jeep lenkte, brachte er seine Schusshand in die richtige Position und drückte ab.
    Furcht erfasste Michael. Er hatte nicht damit gerechnet, im Fadenkreuz sämtlicher Wachmänner zu enden. Die fünfzehn Mann starke Truppe feuerte aus allen Rohren auf ihn.

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