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Der Dieb der Finsternis

Der Dieb der Finsternis

Titel: Der Dieb der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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huschten. Manchmal saß Venue tatsächlich stundenlang da und beobachtete das Treiben, das hysterische Geschacher, das allein zu seinem Wohl geschah. Ein Bienenvolk aus Männern und Frauen, das alles tat, um den Imker noch reicher zu machen, als er ohnehin schon war.
    Die Firmen, die Venue aufkaufte, waren auf die unterschiedlichsten Sparten spezialisiert: Energiekonzerne, Textilfabriken, Pharmaunternehmen, Firmen aus der Unterhaltungsbranche. Hatte Venue seine Beute erst einmal ins Auge gefasst, ließ er nicht locker, bis er sie in den Konkurs getrieben hatte, damit sein Konzern sie schlucken konnte. Er hatte einen Verhandlungsstil, mit dem er den Willen auch des schwierigsten Verkäufers zu brechen vermochte. Während das organisierte Verbrechen darauf aus war, Drogenhandel und Prostitution zu kontrollieren, benutzte Venue vergleichbare Taktiken, um legale Unternehmen an sich zu reißen. Er unterwarf die Menschen seinem Willen, indem er ihnen Furcht einflößte und sie einschüchterte. Hin und wieder musste auch jemand sterben.
    Anschuldigungen gegen Venue wurden höchstens geflüstert, und Anzeige zu erstatten wurde nicht einmal in Erwägung gezogen. Er hatte die Taschen der Beamten mit Bestechungsgeldern und ihre Herzen mit Furcht und Schrecken gefüllt. Er wurde gefürchtet wie der Teufel, und niemand glaubte, dass er aufzuhalten war.
    Aber wie es im Leben nun mal ist, hatte sogar der Teufel hin und wieder einen schlechten Tag.
    Die Märkte waren zusammengebrochen. Riesige Gewinne verwandelten sich in schreckliche Verluste. Die Immobilienpreise stürzten ins Uferlose und ruinierten Venues Kapital, das in hohem Maße fremdfinanziert war.
    Wenn er seine Aufmerksamkeit jetzt auf die Bilder der Monitore richtete, war kaum Aktivität darauf zu sehen, sah man von einer Hand voll Händlern ab, die sich mühten, das Unternehmen zu retten, und von einer Schar Buchhalter, die damit beschäftigt waren, die Bilanzen zu frisieren, um sich die Behörden vom Hals zu halten.
    Noch viel mehr als der Verlust seiner Reichtümer und seiner Macht erschütterte Venue jedoch die Tatsache, dass sie ihn gefunden hatten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Welt erfuhr, wer er wirklich war und bis das, was von seinem fragilen Imperium noch übrig blieb, endgültig zusammenbrach.
    Ein junger Mann namens Jean-Paul Ducete saß vor ihm. Er war blond und blauäugig und sehr attraktiv. Er war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und verzehrte sich danach, seinen Eltern wenigstens einen Teil von dem zurückgeben zu können, was sie geopfert hatten, um ihm seine Ausbildung zu ermöglichen. Jean-Paul hatte sein Grundstudium an der Sorbonne absolviert und seinen akademischen Abschluss an der renommierten London School of Economics erlangt, beide Male als Jahrgangsbester. Nachdem man ihn zwei Jahre zuvor wegen seiner überragenden Intelligenz und seines unersättlichen Strebens nach Erfolg eingestellt hatte, arbeitete er sieben Tage die Woche und achtzehn Stunden am Tag für Venue. Seine Wohnung, nur einen Block von der Vristed Straat entfernt, wurde ausschließlich zum Schlafen genutzt. Er nahm sämtliche Mahlzeiten während seiner Arbeitszeit ein und hatte Privatleben und Ehe auf einen späteren Zeitpunkt verlegt, um stets an seinem Arbeitsplatz sein zu können. Er verschrieb sein Leben ganz und gar Venue und dessen Visionen, denn er war sicher, dass es sich eines Tages auszahlen würde, dass er sein Glück machte und in der Lage war, seiner Familie alles mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen.
    Nur ist Glück ein Wort, das vieles bedeuten kann, und Venues Glück hatte sich eine knappe halbe Stunde zuvor erschöpft. Nicht er selbst hatte den Fehler begangen, sondern ein Untergebener. Es war ein dummer Fehler, den die Aufsichtsbehörde nicht gefunden hätte und den man hätte korrigieren können, ohne dass es Konsequenzen nach sich gezogen hätte. Dennoch war es ein Fehler. Und in den Augen eines Menschen wie Venue gab es keinen Platz für Fehler, sofern sie nicht von ihm selbst begangen wurde.
    Venue hielt Jean-Paul eine zweistündige Strafpredigt, in der es vorwiegend um seine eigene Genialität ging, um seine Ehrbarkeit und Integrität. Dann verlangte er, dass Jean-Paul kündigte, und schickte ein entsprechendes E-Mail-Rundschreiben an die Angestellten heraus, in dem es hieß, dass Jean-Paul sie verlassen habe, um in Zukunft andere Interessen zu verfolgen.
    Venue stand auf, kam um seinen Schreibtisch herum, lehnte sich dagegen,

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