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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Temple « , fuhr sie fort und blickte auf, bevor ich ihr erklären konnte, dass Cable eigentlich nicht zu der aggressiv-sportlichen Truppe gehört hatte, » das war der, der Andy in der Dusche mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen hat. «
    » Ja, das stimmt. « Im Zusammenhang mit der Dusche erinnerte ich mich weniger daran, dass Andy sich auf den Fliesen eine Gehirnerschütterung geholt hatte, als vielmehr daran, wie Scheffernan und Cavanaugh mich auf dem Boden festgehalten und versucht hatten, mir einen Deostick in den Arsch zu schieben.
    Mrs. Barbour– sie saß zierlich in ihren Mantel gehüllt und hatte eine Decke auf dem Schoß, als fahre sie mit dem Schlitten zu einer Weihnachtsparty– blätterte immer noch. » Weißt du, was dieser kleine Temple gesagt hat? «
    » Wie bitte? «
    » Der Temple-Junge. « Ihr Blick war auf das Buch gerichtet, und ihre Stimme klang fröhlich, als rede sie mit einem Fremden auf einer Cocktailparty. » Was seine Ausrede war. Als sie ihn fragten, warum er Andy bewusstlos geschlagen habe. «
    » Nein, das weiß ich nicht. «
    » Er sagte: › Weil der Junge mir auf die Nerven geht. ‹ Er ist inzwischen Rechtsanwalt, habe ich gehört. Ich hoffe jedenfalls, im Gericht hat er sich ein bisschen besser im Zaum. «
    » Win war nicht der Schlimmste « , sagte ich nach einer müden Pause. » Mit Abstand nicht. Cavanaugh und Scheffernan zum Beispiel… «
    » Die Mutter hat nicht einmal zugehört. Hat die ganze Zeit SMS geschrieben. Irgendeine dringende Angelegenheit mit einem Mandanten. «
    Ich schaute auf die Manschette meines Hemdes. Ich hatte nicht vergessen, nach der Arbeit ein frisches anzuziehen. Wenn ich in meinen opiatvernebelten Jahren (von den Jahren als Antiquitätenfälscher ganz zu schweigen) etwas gelernt hatte, dann dies: Gestärkte Hemden und Anzüge aus der Reinigung trugen eine Menge dazu bei, eine Vielzahl von Sünden zu verbergen. Aber diesmal hatten die Morphintabletten mich zu aufgedreht und achtlos werden lassen, und beim Anziehen war ich in meinem Zimmer herumgedriftet und hatte bei Elliott Smith mitgesummt… sunshine … been keeping me up for days …, und jetzt sah ich, dass eine meiner Manschetten nicht ordentlich geschlossen war. Außerdem passten die Manschettenknöpfe, die ich ausgesucht hatte, nicht zusammen: Der eine war lila, der andere blau.
    » Wir hätten ihn verklagen können « , sagte Mrs. Barbour abwesend. » Ich weiß nicht, warum wir es nicht getan haben. Chance meinte, damit würden wir es Andy auf der Schule nur schwerer machen. «
    » Na ja… « Es gab keine Möglichkeit, die Manschette unauffällig in Ordnung zu bringen. Ich musste warten, bis ich im Taxi war. » Die Sache in der Dusche war eigentlich Scheffernans Schuld. «
    » Ja, das hat Andy gesagt und der Temple-Junge auch, aber was den eigentlichen Schlag anging, der zu der Gehirnerschütterung führte, stand außer Zweifel… «
    » Scheffernan war hinterhältig. Er hat Andy gegen Temple gestoßen– Scheffernan war mit Cavanaugh und den anderen Typen auf der anderen Seite des Duschraums und hat sich kaputtgelacht, als die Prügelei losging. «
    » Nun, darüber weiß ich nichts, aber David « , David war Scheffernans Vorname, » war kein bisschen so wie die andern, sondern immer absolut nett und sehr höflich. Wir hatten ihn oft hier, und er war immer so lieb, Andy mit einzubeziehen. Du weißt, wie viele andere Kinder in der Schule waren, mit ihren Geburtstagspartys… «
    » Ja, aber Scheffernan hatte es immer auf Andy abgesehen, immer. Denn Scheffernans Mutter hat ihm Andy dauernd aufgezwungen. Er musste Andy einladen, und er musste herkommen. «
    Mrs. Barbour seufzte und stellte ihre Tasse ab. Es war Jasmintee, das konnte ich bis zu mir herüber riechen.
    » Ja, weiß Gott, du kanntest Andy besser als ich « , sagte sie unvermittelt und zog den bestickten Kragen ihres Mantels fester zusammen. » Ich habe ihn nie als den gesehen, der er war, und in mancher Hinsicht war er mein Lieblingskind. Ich wünschte, ich hätte nicht immer versucht, jemand anderen aus ihm zu machen. Du hast es jedenfalls verstanden, ihn zu nehmen, wie er war, besser als sein Vater oder ich oder– weiß Gott– sein Bruder. Schau « , sagte sie in fast unverändertem Ton in die ziemlich frostige Stille hinein, die darauf folgte. » Hier ist St. Petrus, wie er die kleinen Kinder von Christus fernhält. «
    Gehorsam stand ich auf und trat hinter sie. Ich kannte das Werk– eine der großen, stürmischen

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