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Der Distelfink

Der Distelfink

Titel: Der Distelfink Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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finden konnte– fummelte ich es heraus.
    Richtig, es war Kitsey, und es wimmelte von Emoticons. ♥ ♥ Hi Popsy ♥ komme 1 Stunde später  ! ✗✐❁❃✌ !!! Erwische dich hftl noch! Forrest & Celia machen Essen, treffe dich da um 9, lieb dich doll « Kits ♥ ✗ ♥ ✗ ♥ ✗ ♥ ✗ ♥
    XIV
    Fünf oder sechs Tage später hatte ich mich von der Nacht mit Boris immer noch nicht vollständig erholt– teils, weil ich mit Kunden beschäftigt war, auf Versteigerungen gehen und mir Nachlässe anschauen musste, und teils, weil fast jeden Abend zermürbende Events mit Kitsey stattfanden– Feiertagspartys, ein Smoking-Dinner, Pelléas et Mélisande in der Met–, jeden Morgen um sechs aufstehen und erst lange nach Mitternacht wieder ins Bett gehen, an einem Abend sogar bis zwei Uhr morgens unterwegs, kaum ein Augenblick für mich allein und (noch schlimmer) kaum ein Augenblick allein mit ihr, was mich normalerweise rasend gemacht hätte, aber unter diesen Umständen war ich so beschäftigt und von Erschöpfung übermannt, dass ich nicht viel Zeit hatte, um darüber nachzudenken.
    Die ganze Woche hatte ich mich auf Kitseys Dienstag mit den Freundinnen gefreut– nicht, weil ich sie nicht sehen wollte, sondern weil Hobie auswärts aß und ich gern allein sein, ein paar Reste aus dem Kühlschrank essen und früh schlafen gehen wollte. Aber bei Ladenschluss um neunzehn Uhr hatte ich noch ein paar Dinge im Geschäft nachzuholen. Wundersamerweise war ein Innenausstatter erschienen und hatte sich nach ein paar teuren, aus der Mode geratenen, unverkäuflichen Zinnobjekten erkundigt, die seit Weltys Tagen oben auf einem Schrank verstaubten. Von Zinn verstand ich nicht viel, und ich suchte in einer alten Antiques -Nummer nach einem bestimmten Artikel, als Boris vom Bordstein herangesprungen kam und an die Glastür klopfte, keine fünf Minuten, nachdem ich sie abgeschlossen hatte. Regen prasselte herunter, und in dem rauen Wolkenbruch war er nur ein undeutlicher Schatten im Mantel, aberder Rhythmus seines Klopfens war unverwechselbar der aus alten Zeiten, als er um das Haus meines Vaters nach hinten zur Terrasse gekommen war und angeklopft hatte, damit ich ihn hereinließ.
    Mit eingezogenem Kopf kam er herein und schüttelte sich so heftig, dass die Tropfen stoben. » Fährst du mit mir nach Uptown? « , fragte er ohne Einleitung.
    » Ich habe zu tun. «
    » Ja? « Seine Stimme klang gleichzeitig so liebevoll, entnervt und offensichtlich kindlich verletzt, dass ich mich von meinem Bücherregal abwandte. » Und willst du nicht fragen, warum? Ich glaube, vielleicht möchtest du doch mitkommen. «
    » Wohin uptown? «
    » Ich werde mit ein paar Leuten sprechen. «
    » Und zwar über…? «
    » Ja. « Er strahlte, schniefte und wischte sich über die Nase. » Genau. Du brauchst nicht mitzukommen, ich wollte meinen Jungen Toly mitnehmen, aber ich dachte, aus mehreren Gründen könnte es gut sein, wenn du auch dabei sein wolltest– Poptschik, ja, ja! « Er bückte sich und hob den Hund auf, der herangetrippelt kam, um ihn zu begrüßen. » Ich freue mich doch auch, dich zu sehen! Er mag gern Speck « , sagte er zu mir, und dabei kraulte er Popper hinter den Ohren und rieb seine Nase an seinem Nacken. » Brätst du ihm manchmal Speck? Er mag auch das Brot, wenn es mit Fett vollgesogen ist. «
    » Mit wem sprechen? Wer sind diese Leute? «
    Boris strich sich das tropfnasse Haar aus dem Gesicht. » Ein Typ, den ich kenne. Heißt Horst. Alter Freund von Myriam. Hat sich bei diesem Deal auch verbrannt– ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass er uns helfen kann, aber Myriam meinte, kann nicht schaden, noch mal mit ihm zu reden. Und ich denke, vielleicht hat sie recht. «
    XV
    Auf dem Weg nach Uptown, auf dem Rücksitz des Town Car, während der Regen so heftig auf das Dach trommelte, dass Juri schreien musste, damit wir ihn verstehen konnten ( » Was für ein Hundewetter! « ), erzählte Boris mir leise von Horst. » Ganz, ganz traurige Geschichte. Er ist Deutscher. Interessanter Typ, sehr intelligent und sensibel. Und wichtige Familie… er hat’s mir mal erzählt, aber ich hab’s vergessen. Sein Dad war zum Teil Amerikaner und hat ihm einen Haufen Geld hinterlassen, aber als seine Mutter wieder heiratete… « An dieser Stelle nannte er einen weltberühmten Industriellennamen mit einem dunklen alten Nazi-Echo. » Millionen. Ich meine, es ist nicht zu glauben, wie viel Geld diese Leute haben. Sie schwimmen drin. Geld bis zum

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