Der Distelfink
Hals. «
» Ja, das ist wirklich eine traurige Geschichte. «
» Tja– Horst ist ein schlimmer Junkie. Du kennst mich « , ein philosophisches Achselzucken, » ich urteile nicht, ich verurteile niemanden. Tu, was du willst, mir egal! Aber Horst– ein sehr trauriger Fall. Er verliebte sich in ein Mädchen, das auf Drogen war, und sie brachte ihn auch drauf. Ließ ihn alles bezahlen, und als das Geld verbraucht war, hat sie ihn verlassen. Horsts Familie hat ihn schon vor Jahren verstoßen. Und er verzehrt sich immer noch nach diesem schrecklichen, verkommenen Mädchen. Mädchen, sage ich– sie muss inzwischen fast vierzig sein. Ulrika heißt sie. Immer wenn Horst ein bisschen Geld hat, kommt sie für eine Weile zurück. Und dann verlässt sie ihn wieder. «
» Und was hat er mit der Sache zu tun? «
» Horsts Partner Sascha hat diesen Deal organisiert. Ich lerne ihn kennen– er scheint okay zu sein– was weiß denn ich? Horst hat mir gesagt, er hat noch nie mit Saschas Mann persönlich gearbeitet, aber ich hatte es eilig, und ich habe mich nicht so darum gekümmert, wie ich es hätte tun sollen, und « , er riss die Arme hoch, » puff! Myriam hatte recht– sie hat immer recht– ich hätte auf sie hören sollen. «
Das Wasser strömte an den Scheiben herunter, schwer wie Quecksilber, und schloss uns im Wagen ein. Lichter blinkten und verschmolzen um uns herum, und ich musste daran denken, wie Boris und ich hinten im Lexus durch Vegas gefahren waren, wenn mein Dad in die Waschanlage wollte.
» Horst ist normalerweise ein bisschen heikel bei der Auswahl seiner Geschäftspartner, und deshalb dachte ich, es ist okay. Aber– er ist sehr zurückhaltend, weißt du? › Ungewöhnlich ‹ , sagt er. Ja, was soll das heißen? Und dann komme ich dort unten hin– und diese Leute sind Verrückte. Ich meine, verrückt wie Leute, die mit Gewehren auf Hühner ballern. Und in solchen Situationen, da muss es still und ruhig zugehen! Es war– haben die zu viel ferngesehen oder was? Ist das die Art, wie man so was aufzieht? Normalerweise ist in so einer Situation jeder sehr sehr höflich, sehr leise, sehr friedlich! Myriam meinte– und sie hatte recht–, vergiss die Kanonen! Was ist das für ein Irrsinn, dass diese Leute in Miami Hühner halten? Schon eine solche Kleinigkeit– das ist ’ne Jacuzzi-Gegend, Tennisplätze, verstehst du?–, wer hält da Hühner? Du willst doch nicht, dass ein Nachbar die Polizei anruft, weil im Garten Hühner Krach machen! Aber da « , er zuckte die Achseln, » da war ich schon unten. Ich war mit drin. Ich hab mir gesagt, mach dir keine Sorgen, aber zeigt sich, ich hatte recht. «
» Was ist passiert? «
» Ich weiß es nicht genau. Ich habe die Hälfte der zugesagten Ware gekriegt– der Rest sollte in einer Woche kommen. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Aber dann wurden wir verhaftet, ich habe die andere Hälfte nicht bekommen, und ich habe das Bild nicht bekommen. Horst– ja, Horst würde es auch gern finden, er hat auch eine Menge Geld reingesteckt. Jedenfalls hoffe ich, er hat mehr Informationen als bei unserer letzten Unterhaltung. «
XVI
Juri ließ uns in Höhe der 60er Straßen aussteigen, nicht allzu weit entfernt von den Barbours. » Das hier ist es? « , fragte ich und schüttelte den Regen von Hobies Schirm. Wir standen vor einem der großen Kalkstein-Townhouses abseits der Fifth– schwarze Eisentür, massiver Löwenkopf-Türklopfer.
» Ja, es gehört seinem Vater. Der Rest der Familie versucht, ihn legal rauszukriegen, aber da wünsche ich viel Glück, hah! «
Der Türöffner summte, und wir fuhren mit einem vergitterten Aufzug in den ersten Stock hinauf. Es roch nach Weihrauch, Gras und köchelnder Spaghettisauce. Eine schlaksige blonde Frau– kurz geschnittenes Haar und ein abgeklärtes Gesicht mit kleinen Augen wie das eines Kamels– öffnete die Tür. Sie war gekleidet wie ein altmodischer Straßenbengel oder ein Zeitungsjunge: Pepitahose, knöchelhohe Stiefel, schmutziges Thermohemd, Hosenträger. Auf ihrer Nasenspitze saß eine Benjamin-Franklin-Brille mit Drahtgestell.
Wortlos ließ sie die Tür offen und ging weg, und wir standen in einem halbdunklen, schmuddeligen Salon, so groß wie ein Ballsaal. Es sah aus wie die verwahrloste Kulisse aus einem High-Society-Film mit Fred Astaire: hohe Decken, bröckelnder Stuck, ein Flügel, ein dunkel angelaufener Kronleuchter, an dem die Hälfte der Kristalle kaputt war oder ganz fehlte, eine geschwungene
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